Rezension Rezension: «Die Kunst, Chanel zu sein»
Hamburg/dpa. - «Manchmal verlaufe auch ich mich», hat Coco Chanel einmal zugegeben. «Zum Beispiel im Labyrinth meiner eigenen Legende.» Die Erschaffung der eigenen Person ist vielleicht die größte Leistung der weltberühmten, 1971 gestorbenen Designerin. Gabrielle «Coco» Chanel revolutionierte nicht nur die Mode, sie prägte entscheidend das bis heute gültige Bild einer modernen Frau. Und das gelang ihr vor allem, weil sie sich selbst zu deren Vorbild stilisierte. «Die Kunst, Chanel zu sein» heißt folgerichtig ein wunderbar zu lesender Band autobiografischer Notizen aus Gesprächen der Modeschöpferin mit dem Schriftsteller Paul Morand. Der Verlag Schirmer/Mosel hat jetzt eine Sonderausgabe des 1976 erstmals in Frankreich erschienenen Buches mit zahlreichen Fotos vorgelegt.
Chanel erzählt, nicht immer ganz wahrheitsgetreu, von ihrer entbehrungsreichen Kindheit, ihrem Aufstieg zur Modemacherin, ihren Liebesbeziehungen - etwa mit dem Herzog von Westminster, dem Zeichner Paul Iribe oder dem Engländer Boy Capel. Letzterer finanzierte Coco 1910 den ersten eigenen Laden, in dem sie zunächst eigenwillige Hüte verkaufte. Doch bald konnte sie ihm das geborgte Geld komplett zurückzahlen. Die Damen der besseren Gesellschaft rissen sich um die puren, schlichten und bequemen Kreationen dieses attraktiven Mädchens vom Lande, das aus eigenem Nonkonformismus heraus alle Kleidergewohnheiten auf den Kopf stellte.
Dank Chanel flog das Korsett aus dem weiblichen Moderepertoire heraus, wurden stattdessen weiche Jerseystoffe und Damenhosen salonfähig, galten Sportlichkeit und gebräunte Haut plötzlich als weiblich. Sie etablierte den Kurzhaarschnitt und erfand das unkomplizierte «kleine Schwarze».
Über all dies sprach sie 1946 im Schweizer Exil mit dem ihr befreundeten Paul Morand. Die damals 63-Jährige hatte nach einer Beziehung mit einem deutschen Offizier und des darauf folgenden Vorwurfs der Kollaboration Paris verlassen und zog nun auf nüchterne und manchmal unbarmherzige Art Bilanz.
Eine ganze Epoche zieht in diesen Notizen vorbei. Schließlich war die Couturière mit vielen großen Künstlern ihrer Zeit befreundet oder bekannt. Hinzu kommen Chanels berühmte Aphorismen wie «Ein gut geschnittenes Kleid steht jeder Frau» oder «Die Könige sind verschwunden, aber die Kurtisanen sind geblieben». Und damit sich der Leser nicht ebenfalls im Labyrinth der Legenden dieser berüchtigten Geschichtenerzählerin verirrt, ist das Buch mit Anmerkungen und einem ausführlichen Lebenslauf versehen.
Paul Morand/Coco Chanel: Die Kunst, Chanel zu sein Gespräche mit Coco Chanel Schimer/Mosel Verlag, München 216 Seiten, 45 Abb., 12,80 Euro ISBN 3-829-60110-7