Reinhard Mohr Reinhard Mohr: Deutschland den Puls gefühlt
Hamburg/dpa. - Der Publizist Reinhard Mohr, Jahrgang 1955, geht bei seiner feuilletonistischen Auseinandersetzung mit der deutschen Identität einen emotional geprägten, persönlichen Weg. Darauf verweist schon der Titel: «Das Deutschlandgefühl».
Mohr hat, das merkt der Leser schnell, das typische Jammern und Klagen seiner Landsleute satt. Statt dessen beginnt der Wahlberliner sein ebenso analytisches wie humorvolles Essay mit einer Lobrede auf Deutschland - nach seinen Worten einem der privilegiertesten, glücklichsten Flecken der Erde.
Doch ganz so euphorisch soll es dann doch nicht sein! Und so heißt das Kapitel nicht einfach Lobrede, sondern «Versuch einer Lobrede». Das Buch ist die Beschreibung eines Landes im Wandel: «Während die einen über Stillstand klagen, wird den anderen schon ganz schwindlig von all den rasenden Veränderungen», resümiert der Autor.
Der Journalist Reinhard Mohr erhebt nicht den Anspruch, eine wissenschaftlich genaue politische oder gesellschaftliche Analyse abzuliefern. Er will nicht Begriffe wie Patriotismus und Heimat in ihrer Bedeutung für die Deutschen durchleuchten, sondern dem Land den Plus fühlen - an ausgesuchten Orten. In seinem Rückblick auf die Entwicklung Deutschlands seit 1945 wirft er Schlaglichter auf exemplarische Ereignisse, TV-Sendungen, Reiseziele, Wohnformen wie die Wohngemeinschaft und anderes, was den jeweiligen Zeitgeist prägte.
Er erzählt kluge und witzige Anekdoten. Durch den persönlichen Blickwinkel und die Reduzierung großer Themenfelder - wie Ausländer, Ossi-Wessi-Streit oder des Lebens mit Massenarbeitslosigkeit - auf Kurzerwähnungen fordert er auch Kritik und Debatten heraus. Die durchgängige Ironie dürfte dabei nicht jedermanns Sache sein.
Ausführlich geht Mohr unter anderem auf Medien-Aspekte ein. Lesenswert ist seine Darstellung der aktuellen Funktion von Medien als öffentlichem «Erregungsorgan». Eine «Großkatastrophe» jage die nächste: Tsunami, Moshammer-Tod, Schiri-Skandal, Visa-Affäre, Feinstaub-Probleme - alles werde durch ähnliche Mühlen gedreht.
Auch die Neigung seiner Landsleute, sich in ihrem Mürrisch-Sein gegenseitig zu beflügeln, beschreibt er treffend - und zum Glück mit einem Augenzwinkern. Sein Fazit: Deutschland sei in den vergangenen Jahrzehnten lockerer, ziviler und «mediterraner» geworden - der Deutsche bleibe aber weiter auch «handgeschöpfter Kulturpessimist» und «nörgelnder Bumskopp vom Baumarkt».
Reinhard Mohr
Das Deutschlandgefühl
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg
223 S., Euro 14,90
ISBN 3498045016