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Regisseurin Agnieszka Holland wird 60

Von Jacek Lepiarz 27.11.2008, 16:20

Warschau/dpa. - Vor 16 Jahren machte Agnieszka Holland keinen Hehl aus ihrer Wut auf Deutschland. Die polnische Regisseurin hielt ihren 1992 in Deutschland gedrehten Film «Hitlerjunge Salomon» für einen aussichtsreichen «Oscar»-Kandidaten in der Kategorie bester ausländischer Film.

Doch die deutsche Jury verweigerte die Nominierung. Holland warf damals den Mitgliedern des deutschen Auswahlkomitees Berufsneid vor und äußerte die Hoffnung, «keine Filme mehr in Deutschland machen zu müssen.» Der alte Zorn ist inzwischen längst verflogen. Sie hege nach so vielen Jahren keinen Groll mehr gegen Deutschland, versicherte die Regisseurin, die am kommenden Freitag (28. November) 60 Jahre alt wird.

Holland will sich lieber an positive Momente von damals erinnern. Ihre deutschen Filmkollegen hätten einen «sehr schönen» Solidaritätsbrief geschrieben, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur dpa in Warschau. Nun plane sie sogar einige gemeinsame Projekte mit deutschen Produzenten.

Die Kunst, Filme zu machen, lernte Holland an der Filmhochschule FAMU in Prag. Ihre Studienzeit fiel dabei auf den «Prager Frühling» 1968 und die dramatische Zeit nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei. Mit dem Diplom in der Tasche kam die politisch aufgeweckte junge Regisseurin 1971 nach Polen zurück. Sie arbeitete von Anfang an mit den besten polnischen Filmemachern - Krzysztof Zanussi und Andrzej Wajda - als Assistentin und Drehbuchautorin.

Mit ihrem Regiedebüt «Provinzschauspieler» (1978) gelang ihr ein Werk, das zum Klassiker des «Kinos der moralischen Unruhe» wurde. Dieses Genre, ein polnisches Markenzeichen der späten 70er und frühen 80er Jahre, beschäftigte sich mit der moralischen Zwangslage der kleinen Leute, meistens aus der polnischen Provinz, die in der kommunistischen Diktatur zwischen Protest und Anpassung wählen mussten. Als bekanntester Vertreter dieser Filmrichtung gilt Wajda mit seinem «Mann aus Marmor» (1976).

Während der demokratischen Revolution in Polen 1980/1981 schuf Holland zwei weitere Werke dieser Art: «Fieber» und «Die alleinstehende Frau.» Nach der Verhängung des Kriegsrechts durch General Wojciech Jaruzelski im Dezember 1981 blieb die Künstlerin im Westen. Im Exil drehte sie unter anderem «Bittere Ernte» (1985), die Liebesgeschichte eines Deutschen und einer Jüdin in der NS-Zeit. «Der Priestermord» (1988) handelte von der Ermordung eines polnischen Geistlichen durch die politische Polizei.

Schließlich wagte Holland den Sprung in die USA. Dort produzierte Francis Ford Coppola 1993 ihren Film «Der geheime Garten». Es folgten «Washington Square» (1997) und «The Healer» (2002). Vor zwei Jahren kam ihr Film über Beethoven - «Klang der Stille» - in die Kinos. Mit der Fernsehreihe «Mannschaft» (2007) nahm die Regisseurin die polnische Politik nach der demokratischen Wende aufs Korn.

30 Jahre nach ihrem Debüt griff Holland überraschend ihren alten Stoff, «Provinzschauspieler», noch einmal auf. Sie machte aus der Geschichte ein Theaterstück, das Anfang Dezember in Oppeln (Opole) uraufgeführt werden soll. Das kommunistische Regime sei überwunden worden, Polen sei ein freies Land, doch die alten Probleme, auch das Spannungsverhältnis zwischen Zensur, Konformismus und künstlerischer Freiheit, blieben nach wie vor aktuell, sagt Holland.