Raumfahrt Raumfahrt: «Sputnik 1, können Sie mich hören?»

Bochum/dpa. - DasPiepsen und Kratzen im Lautsprecher stand am Beginn desRaumfahrtzeitalters - Kaminskis mit Spenden Bochumer Arbeiter nachdem Krieg gegründete «Volkssternwarte» wurde berühmt.
50 Jahre nach dem Ereignis erinnert die inzwischen in Institut fürUmwelt- und Zukunftsforschung (IUZ) umbenannte Sternwarte mit einerAusstellung an den «Sputnik-Schock» im Westen und den folgendenWettlauf ins All. Die Schau, die am 9. August eröffnet wird, zeigtnicht nur Kaminskis originalgetreuen «Sputnik-Keller», einerestaurierte Rakete und das von der ARD für die TV-Übertragungbenutzte Modell des «Mondmobils» 1969. Zu sehen sind auch vieleDokumente aus der DDR-Zeit - etwa, wenn der später als Held desVaterlands geehrte Kosmonaut Sigmund Jähn 1978 nach seiner Landungmit Sojus 31 vollmundig bekannte: «Ich bin bereit, jeden beliebigenAuftrag meines sozialistischen Vaterlandes zu erfüllen.»
«Wir wollten keine unpolitische Technikshow», sagt derInstitutsleiter und Nachfolger des 2002 gestorbenen Kaminski, ThiloElsner. «Raumfahrt war Teil des Kalten Krieges, und die Begeisterungdarüber wurde auch politisch benutzt.»
Der Sowjetunion gelang mit dem Flug der Nachweis, dass einSatellitenstart ins All technisch machbar war. Außerdem gewannen dierussischen Techniker wichtige Daten über die Atmosphäre in großerHöhe. Kaminskis Erfolg lag nicht zuletzt am schlechten Wetter des5. Oktober 1957: Hunderte Hobby-Astronomen im Westen hatten ihreFernrohre gen Himmel gerichtet, eine hartnäckige Wolkendecke machtedie Beobachtung des am 4. Oktober (Ortszeit) gestarteten Satellitenaber unmöglich. Kaminski reagierte am schnellsten: Er lieh sichmitten in der Nacht einen Kurzwellenempfänger und schaffte es so,wenigstens Tonsignale auf der von Moskau veröffentlichten Satelliten-Funkfrequenz zu empfangen. Der erste Sichtkontakt zu Sputnik 1 gelangeinem Schüler in der DDR, wo das Wetter besser war.
Anfang November 1957 meldete Bochum auch den zweiten Satellitender Russen, Sputnik 2 mit der berühmten Weltraumhündin Laika, unddreieinhalb Jahre später den ersten bemannten Weltraumflug mit JuriGagarin und der Mission Wostok 1 zuverlässig. Daraufhin erkundigtesich am 14. Juni 1961 der Bundestagsabgeordnete Helmut Schmidt ineiner Kleinen Anfrage, ob die Bundesrepublik die Sternwarte nicht ausBundesmitteln unterstützen wolle.
Die Bundesmittel wurden genehmigt, Kaminski gab seinen Beruf alsChemie-Ingenieur auf und wechselte hauptamtlich an die Spitze derSternwarte. Von 1963 bis 1967 wurde auf einem Grundstück nebenKaminskis Privathaus im Bochumer Süden eine 20-Meter-Parabolantennemit einem Kunststoffmantel als Windschutz gebaut.
Die Anlage liegt bis heute wie ein riesiger weißer Ball zwischenden Einfamilienhäusern des ruhigen Wohngebietes. Überdruck im Innerenhält die dünne Plastikhülle straff. Wer hinein will, muss durch eineDruckschleuse und die erste Zeit in der Ausstellung zumDruckausgleich kräftig schlucken. So bekommt jeder Besucherwenigstens eine Ahnung, wie sich Astronauten fühlen müssen, wenn sieGravitation und natürliches Lebensumfeld der Erde gegen diekünstliche Welt des engen Raumschiffs eintauschen.
Über die Parabolantenne empfingen die Bochumer auch denFunkverkehr der ersten US-Mondlandung 1969 - Bilder undFunkmitschnitte, die in jüngster Zeit unerwartete Bedeutung bekamen.Angesichts der Theorien in den USA, dass die Mondlandung von der NASAnur vorgetäuscht gewesen sei, suchte die US-Weltraumbehörde nachneutralen Beweisen. «Wir haben unsere kompletten Mitschnitterübergeschickt. Die passten hundertprozentig zu den NASA-Dokumenten»,erzählt Elsner.
Die Ausstellung dokumentiert das erste Ankoppelmanöver zwischenden Apollo- und Sojusraumschiffen 1975, die Wetter- undUmweltbeobachtung als heutige Hauptaufgabe der Sternwarte und einberühmtes Auto als Überbleibsel der Sputnik-Begeisterung: Als 1958Beschäftigte des Autowerks Zwickau über den Namen des neuen DDR-Volkswagens abstimmen durften, wählte die Mehrheit die Übersetzungdes russischen Wortes «Sputnik» - Trabant (Begleiter).
