Rätsel gelöst Rätsel gelöst: Woher stammt das Gold auf der Himmelsscheibe von Nebra?

Halle (Saale) - Die Himmelsscheibe von Nebra hat eines ihrer letzten Geheimnisse preisgegeben: Das Gold, aus dem Sonne, Sterne und Mond hauchdünn „geschmiedet“ sind, wurde vor fast vier Jahrtausenden in Cornwall im Süden Englands gewonnen und auf bronzezeitlichen Handelswegen ins heutige Mitteldeutschland exportiert. Schon als im Jahr 2002 ein winziges Gold-Partikel der „Sonne“ untersucht wurde, hatte man England als Ursprung des Edelmetalls herausgefunden, genau den Fluss Carnon. Nun steht sogar fest, dass alle Symbole auf dem „Geschmiedeten Himmel“ im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle von der britischen Insel stammen.
Proben aus ganz Europa zusammengesucht
Der Nachweis gelang mit einem neuartigen, besonders schonenden Analyse-Verfahren. Außerdem wurden Proben aus 189 natürlichen Goldfundstätten in ganz Europa zusammengesucht und zum Vergleich herangezogen.
Bisher wurden großräumige Fernbeziehungen in Europa, zwischen Mitteldeutschland und England, nur vermutet. Nun sind sie bewiesen. Für Sachsen-Anhalts Landesarchäologen Harald Meller hat die Klärung der Herkunft des Scheiben-Goldes zudem weitere wichtige Erkenntnisse gebracht. „Wir haben durch die Analyse ein besseres, schon überraschendes Bild vom Leben der Menschen in Mitteldeutschland vor 4 100 bis 3 600 Jahren“, sagt Meller.
Denn untersucht wurden nicht nur die Goldauflagen der vor mehr als 3 600 Jahren bei Nebra (Burgenlandkreis) vergrabenen Bronzescheibe, sondern auch goldene Beigaben aus bis zu 300 Jahre älteren „Fürsten-Bestattungen“ in Mitteldeutschland. Ergebnis: Die goldenen Zopfringe und Nadeln stammten zwar aus verschiedenen Werkstätten, das Gold aber kam ebenfalls aus Cornwall.
Stabile Handelswege
„Die Analyse zeigt, dass es vor ungefähr 4 100 bis 3 600 Jahren in unserer Region sehr stabile Handelswege gab. Dies aber war nur möglich, wenn es in dieser Zeit ohne staatlich-administrative Strukturen eine stabile, starke Herrschaft gab, die Schutz gewährte“, schlussfolgert der Landesarchäologe. Die Menschen lebten zwar beherrscht, aber doch in einer Zeit des Friedens. Dafür sprächen auch die Siedlungen, die sich praktisch schutzlos an den Flüssen entlangzogen. Ohne Einfriedung. „An der Spitze dieser Gesellschaft aber standen offenbar mehrere Generationen von reichen Fürsten. Diesen Eliten waren nicht nur Privilegien wie hochwertige Speisen und Zugang zu geheimem Wissen wie der Himmelsscheibe vorbehalten. Sie kontrollierten auch die Handelsnetzwerke ihres Herrschaftsgebietes“, sagt Meller. Und offensichtlich gelang es ihnen, die Versorgung mit den wertvollsten Rohstoffen der Frühbronzezeit – Zinn und Gold – über mehrere Jahrhunderte hinweg zu gewährleisten.
Ermöglicht hat diese Erkenntnisse ein Metall-Analyseverfahren, das der Mannheimer Archäometrie-Experte Ernst Pernicka nutzen konnte. Dabei wird das Material der Himmelsscheibe, die seit vorigem Jahr „Unesco Memory of the World“ ist, nicht in Mitleidenschaft gezogen. Bei der so genannten „Laserablation“ wird ein Laserstrahl durch das Gold gelenkt. Es entsteht Dampf, der analysiert werden kann. Um die Herkunft des Goldes weiter bestimmen zu können, hat zudem der Geologe Professor Gregor Borg von der Martin-Luther-Universität in Halle Proben von 189 Goldfundstätten in Europa analysiert.
