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Rafael Alberti Rafael Alberti: Zum 100. Geburtstag Gedenkveranstaltungen

Von Jörg Vogelsänger 09.12.2002, 19:22

Madrid/dpa. - «Sollte meine Stimme an Land sterben, bringt sie bis ans Meer und lasst sie am Ufer.» Als Rafael Alberti 1999 mit fast 97 Jahren starb, ging sein letzter Wille in Erfüllung. Die Asche des großen spanischen Dichters und Dramatikers, dessen Liebe der Ozean war, wurde in der Bucht von Cádiz verstreut. Drei Jahre danach steht Alberti wieder im Mittelpunkt des Kulturkalenders: Am 16. Dezember wäre der Poet mit der silbergrauen Mähne und der Schiffermütze 100 Jahre geworden, und an diesem Tag fällt der Startschuss für eine ganze Reihe Gedenkveranstaltungen, die weit bis 2003 reichen.

Als Vorgeschmack ist unter dem Titel «El viento que viene y va» (Der Wind, der kommt und geht) eine CD mit bislang unveröffentlichten Gedichten herausgekommen, die Alberti vor zehn Jahren während einer Tournee mit dem argentinischen Liedermacher Enrique Llopis durch das südamerikanische Land vortrug. Während der Franco-Diktatur (1939- 1975) hatte der Poet 24 Jahre seines langen Exils in Argentinien verbracht.

Am 16. Dezember selbst wird in seiner andalusischen Geburtsstadt El Puerto de Santa María bei Cádiz der fast eine Million Euro teure Neubau der Alberti-Stiftung eröffnet, die von seiner Witwe María Asunción Mateo geleitet wird. Die Räumlichkeiten sollen als Kulturzentrum dienen und beherbergen zudem die aus mehr als 7000 Büchern bestehende Bibliothek des Dichters.

Trotz seines hohen Alters hatte der seit seiner Jugend lungenkranke Alberti bis kurz vor seinem Tod noch gearbeitet. Dieses Lungenleiden war es auch, das Spaniens «kämpferischen Poeten» überhaupt dazu brachte, sich ganz der Dichtkunst zu widmen. Zunächst hatte er nämlich in Madrid mit der Malerei angefangen. Mehrere Bücher seines Jugendfreundes Federico García Lorca hat er unter anderem illustriert. Anfang der 20er Jahre musste Alberti in eine Klinik. In den fünf Jahren dort schrieb er auch seinen ersten Gedichtband «Marinero en tierra», für den er 1925 auf Anhieb den Nationalen Literaturpreis erhielt. Das Sanatorium lag in den Bergen Madrids, sein geliebtes Meer in weiter Ferne: «Matrose an Land» ist denn auch die wörtliche Übersetzung des Titels.

Alberti war der letzte große Vertreter der einflussreichen Literaturbewegung «Generation von 1927», zu der neben García Lorca noch Vicente Aleixandre, Dámaso Alonso, Gerardo Diego oder Jorge Guillén zählten. Zu seinen Freunden und Weggenossen gehörten auch der Regisseur Luis Buñuel und die Maler Pablo Picasso und Salvador Dalí. Eine klare Sprache, surrealistische Elemente und politisches Engagement sind charakteristisch für Albertis Werk. Er trat 1931 der Kommunistischen Partei bei und kämpfte im Bürgerkrieg auf der Seite der Volksfront gegen die Truppen General Francos. In seiner Sammlung «El poeta en la calle» (Der Dichter auf der Straße) prangert er Kriegsgräuel an und beklagt zerbrochene Hoffnungen.

Als 1929 sein Gedichtband «Über die Engel» erschien, löste Alberti gleichermaßen Be- und Verwunderung aus. Kaum zu glauben, dass ein erst 26-jähriger Poet aus dem lebensfrohen Andalusien so düstere Visionen von Angst und Selbstzweifeln haben konnte. «Und da offenbarten sich mir die Engel (...) als unwiderstehliche Mächte des Geistes, die sich den trübsten, geheimsten Zuständen meiner Natur anverwandeln ließen. Und in Schwärmen ließ ich sie los auf die Welt: blinde Wiederverkörperungen alles Blutigen, Trostlosen, Todesqualerfüllten, Schrecklichen und manchmal Guten», schrieb er in seinen Memoiren über diese von der Kritik als «Höhepunkt reiner Lyrik» gefeierte Phase.

Berühmt wurden auch seine zwischen 1926 und 1929 entstandenen Gedichtsammlungen «Cal y Canto» (etwa: Felsenfest) oder sein burleskes Selbstporträt «El tonto de Rafael» (Dieser Dummkopf Rafael). Alberti schrieb außerdem einige Schauspiele wie etwa «El adefesio» (Der Geck), «El trébol florido» (Blühender Klee) oder «Noche de guerra en el Museo de Prado» (Kriegsnacht im Prado-Museum), wozu ihm Bertolt Brecht kurz vor dessen Tod einige Ratschläge gab.

Nach dem Bürgerkrieg verbrachte Alberti 38 Jahre im Exil in Paris, Buenos Aires und Rom. Nach der Franco-Diktatur kehrte er zurück. «Ich bin mit geballter Faust gegangen und mit offenen Händen als Zeichen der Eintracht mit allen Spaniern zurückgekehrt», sagte er bei der Ankunft. Als KP-Abgeordneter im ersten demokratischen Parlament hielt er es zwei Monate aus, dann wandte er sich wieder ganz der Poesie zu. 1983 erhielt Alberti den Cervantes-Preis, die höchste Auszeichnung der spanischsprachigen Literatur.