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Radio Radio: Bundestag fordert Quote für deutsche Musik

21.12.2004, 13:31

Berlin/dpa. - Eine gesetzliche Radioquote für deutsche Rock- und Popmusik wird es vorläufig nicht geben, aber die Rufe nach einem freiwilligen Einschwenken der Sender werden immer lauter und stoßen auch schon auf erstes Gehör.

Nach der Anhörung in der Enquete-Kommission des Bundestages «Kultur in Deutschland» Ende September haben sich die Volksvertreter in erstaunlicher Eile jetzt sogar im Plenum des Parlaments mit dieser Frage befasst und die Rundfunksender zu einer «freiwilligen Selbstverpflichtung» aufgefordert, «annähernd 35 Prozent» deutsche Sänger oder Produktionen in ihren Programmen zu berücksichtigen. Auch die Bundesregierung soll eingeschaltet werden.

Auch wenn das gesetzlich nur über die Länderparlamente in den Rundfunkstaatsverträgen zu regeln wäre, ist die jetzt im Bundestag mit der rot-grünen Mehrheit verabschiedete Aufforderung an die Sender keine stumpfe Waffe. Sie lässt in ihrer Deutlichkeit keine Zweifel zu. Die Töne werden härter, der Druck nimmt zu.

Die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer sprach nach der Parlamentssitzung Klartext: «Sobald die Selbstverpflichtung umgesetzt wird, werden annähernd 35 Prozent deutschsprachiger beziehungsweise in Deutschland produzierter Musik über das gesamte Sendeprogramm verteilt zu hören sein, davon die Hälfte Neuerscheinungen von Nachwuchskünstlern.»

Ob dieser «Kulturauftrag» auch in die Praxis umgesetzt wird, soll nach einem Jahr überprüft werden, betonte Vollmer mit nicht verkennbarem Unterton: «Falls nicht, werden wir über weiter gehende Maßnahmen nachdenken müssen.» Die Union und die FDP halten von diesem Druck und überhaupt von einer festen Quote gar nichts, sehen aber auch ein «heimisches Defizit» in vielen «Dudelsendern».

Für den Liedermacher Reinhard Mey ist die Situation sogar «höchstdramatisch». Der deutsche Nachwuchs erhalte nicht mehr die gleichen Chancen in den Sendern wie die ausländischen Künstler. «Da wird ein ganzer nationaler Kulturbereich platt gemacht, wenn da nicht bald etwas geschieht», sagte Mey («Über den Wolken») der dpa. Dabei gehe es auch um das kulturelle Selbstbewusstsein eines Landes. «Es ist doch abartig, wenn viele junge deutsche Künstler aus diesen Gründen nur noch englisch singen.» Auch Meys Kollege Klaus Hoffmann sieht eine «Entfremdung in den Sendern gegenüber der eigenen Kultur». Viele junge deutsche Künstler fänden in den Sendern einfach nicht mehr statt. Über 500 deutsche Popkünstler sind ähnlicher Meinung, darunter Udo Lindenberg und Xavier Naidoo.

Im Moment allerdings dreht sich der Wind, ob mit anhaltender Wirkung wird sich zeigen. In den Charts sind zeitweise bis zu 50 Prozent deutsche Sänger oder Produktionen vertreten, betonte die FDP im Bundestag, die gegen jede «dirigistische Maßnahme» ist und sogar Zensur im rot-grünen Vorstoß wittert.

Der ARD-Vorsitzende Jobst Plog sieht zwar ebenfalls den Bundestag als «nicht zuständig» an, lässt aber erkennen, dass der politische Appell zumindest bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht auf völliges Unverständnis stößt. «Alle Seiten bewegen sich seit langem aufeinander zu», sagte Plog jetzt. «Gute Musik setzt sich durch - ganz besonders, wenn sie aus Deutschland kommt.»

Der Nachbar Frankreich sah das auf seine einheimischen Künstler bezogen nicht so blauäugig und setzte eine Quote fest - mit guten Erfahrungen, wie der frühere französische Kulturminister Jacques Toubon in Berlin berichtete. Er fügte ein Kompliment an den Nachbarn hinzu: «Sie machen in Deutschland große Anstrengungen, ihre klassische Musiktradition zu bewahren und zu schützen. Ich glaube, dass man die deutsche Popmusik nicht schlechter stellen darf.»