Quentin Tarantino über Gewalt und Leni Riefenstahl
Nürburgring/dpa. - Der amerikanische Kult-Regisseur Quentin Tarantino («Pulp Fiction», «Kill Bill») ist so umstritten wie kaum einer seiner Kollegen. Mit großem Enthusiasmus inszeniert der 44-Jährige rohe Gewalt, immer wieder fließt in seinen Filmen das Blut in Strömen.
Sein aktuelles Werk «Death Proof» dreht sich um den psychopathischen Stuntman Mike (Kurt Russell), der mit seinem aufgemotzten Wagen junge Frauen ermordet. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa erklärt Tarantino, was ihn an Gewaltszenen reizt - aber auch, was er vom deutschen Kino und seinen Schauspielern hält. Für ihn ist Leni Riefenstahl (1902-2003), die wegen ihrer Nähe zum Nationalsozialismus und ihrer Propagandafilme («Triumph des Willens») umstritten ist, die beste deutsche Regisseurin.
Sie gelten seit «Pulp Fiction» als Regisseur eines harten, unkonventionellen Kinos, das trotz komplexer Erzählstrukturen sich nicht vor drastischen, brutalen Gewaltdarstellungen scheut. Warum brauchen Sie exzessive Gewaltszenen, um eine Story zu erzählen?
Tarantino: «Das sind die Sachen, die mich anziehen. Das sind die Sachen, die ich mag. In diese Richtung würden Filmgeschichten eigentlich immer gehen. Für mich ist es so, als ob andere Filme nie die Richtung nehmen, in die sie gehen sollten. Sie betrügen, und sie werden abgeschwächt. Viele Bücher machen keine solchen Vorgaben und lassen deshalb die Wahrheit und die Personen erkennen. Ich versuche immer, es so in meinen Filmen zu machen. Es gibt nichts, was meine Protagonisten nicht machen können. Ich zensiere sie nicht.»
Das deutsche Kino hat in den vergangenen Jahren wieder einige Erfolge sogar in Hollywood gefeiert - mit eher leiseren Filmen wie zuletzt bei der Oscar-Vergabe mit dem Stasi-Streifen «Das Leben der anderen». Haben Sie neuere deutsche Filme gesehen und wie finden Sie das neuere deutsche Kino?
Tarantino: «Ich habe einige deutsche Filme gesehen - "Tattoo" von Robert Schwentke über einen Serienkiller zum Beispiel. Tom Tykwers Produktionen habe ich erst in den vergangenen Jahren kennen gelernt. Ich hatte von ihnen gehört, aber nie eine gesehen. Als ich aber eine sah, mochte ich sie so sehr, dass ich mir alle seine Filme angeschaut habe. Ich war total vernarrt in sie. Den deutschen Oscar- Film "Das Leben der anderen" habe ich aber noch nicht gesehen. Bis vor zwei Monaten habe ich an "Death Proof" gearbeitet, in der Zeit konnte ich eigentlich nichts anderes machen. Und wenn man solche Filme macht wie "Death Proof", möchte man nichts Kompliziertes sehen, man möchte eigentlich nur etwas zum Lachen haben, nicht irgendetwas Ernstes.»
Welchen deutschen Schauspielern oder Regisseuren trauen Sie eine Hollywoodkarriere zu?
«Einige Schauspieler haben sicherlich auch in Hollywood eine Chance. Ich mag Til Schweiger. Gideon Burkhardt ist ein cooler Schauspieler. Und ich denke, beide könnten gut dort arbeiten. Ich mag auch Daniel Brühl aus «Good bye, Lenin!». Wenn ich für einen deutschen Schauspieler eine Rolle hätte, wäre es toll, sie mit einem von ihnen zu besetzen. Meine Lieblingsregisseure sind allerdings die älteren. Leni Riefenstahl ist für mich die Beste. Ich mag auch Alfred Vohrer ("Die toten Augen von London", «Der Hexer»). Er ist der deutsche Hitchcock. Und ich bin ein großer Fan von Dr. Arnold Fancks Bergfilmen ("Die weiße Hölle vom Piz Palü", mit Leni Riefenstahl). Ich habe eine 16 Millimeter-Fassung von «Der weiße Rausch». Ich bin auch ein großer Fan von Bernhard Wicki ("Die Brücke", "Das Spinnennetz") - ich liebe seine Filme.»
Was kann der deutsche Film, oder allgemeiner, das europäische Kino, von Hollywood lernen und umgekehrt?
Tarantino: «Viele deutsche Produktionen gehen jetzt um die Welt und werden auch außerhalb Deutschlands gesehen. Die Unterschiede verringern sich. Der Hitler-Film "Der Untergang" hätte auch in Amerika gemacht sein können, "Lola rennt" und "Der Krieger und die Kaiserin" ebenso. Umgekehrt könnten viele US-Filme in Deutschland gedreht sein. Das Spannende am deutschen Kino ist für mich, dass es nicht so pastoral ist.»
Ergänzen Sie bitte folgenden Satz: Filmfans sollten sich «Death Proof» ansehen, weil...
Tarantino: «...ich glaube, dass sie einen spannenden und sehr erlebnisreichen Abend im Kino haben werden. Und meine Fans sollten ihn sich unbedingt ansehen, weil es das Aktuellste ist, was ich gemacht habe, und weil ich sehr stolz auf das Ergebnis bin.»
Interview: Peter Auf der Heyde, dpa