Quedlinburg Quedlinburg: Sherlock Holmes im Mönchs-Gewand
Quedlinburg/MZ. - Hier hüten die Mönche das Buch, in dem Aristoteles die befreiende Kraft des Lachens beschrieben hat - und hier liegt der Schlüssel zu jener Mordserie, die den Franziskaner William von Baskerville und seinen Adlatus Adson von Melk beschäftigt.
Ein neuer "Jedermann"
Es ist eine bezwingende Idee, Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" für die Stiftskirche St. Servatius in Quedlinburg zu dramatisieren. Das romanische Gotteshaus wäre den Romanhelden aus dem Jahr 1327 bereits als uralt erschienen. Für das Nordharzer Städtebundtheater hat sich das Wagnis, das es mit der Aufstockung seines Schauspiel-Ensembles durch zahlreiche Gäste eingegangen ist, denn auch gelohnt: Alle fünf Vorstellungen dieser Saison sind ausverkauft, neben Gastspielen plant man die Verstetigung des Projektes als eine Art Quedlinburger "Jedermann".
Streitbar bleibt das Unternehmen dennoch - obwohl Kordula Stövesand den Abend mit Liebe zum Kostüm-Detail und Respekt vor dem sakralen Raum ausgestattet hat. Regisseurin Rosmarie Vogtenhuber nutzt Blicke in die Seitenschiffe geschickt für gregorianische Intermezzi, konzentriert das Spiel aber auf den Hochchor sowie auf den Raum vor der Krypta. Hier werden jene Textquader gestemmt, aus denen Eco sein Gedankengebäude schuf - und die in Claus J. Frankls dramatischer Verdünnung nur für einen Rohbau genügen können.
Das war auch in der Verfilmung nicht anders. Dort aber täuschte Opulenz darüber hinweg, dass der zentrale Streit über den Weg der Kirche bestenfalls am Rande geführt wurde - und dass viele Figuren ohne psychologischen Tiefgang auskommen. Mit den Mitteln des Theaters aber lässt sich das nicht kaschieren: Mathias Kusche muss sich als mittelalterlicher Sherlock Holmes allzu oft in volltönende Behauptung retten, weil er die Beweise seines Scharfsinns nicht liefern kann, sein Watson Jens Tramsen bleibt ein gelehriger Mitläufer.
Erfolg ist in Sicht
Schärfer gezeichnet sind Figuren wie der von dunklem Geheimnis gebeugte Abt (Sebastian Müller), das vielsprachige Monstrum Salvatore (Margit Hallmann) oder der blinde Apokalyptiker Jorge (Martin Richter). Seinen Gipfel aber erreicht das Spiel in der Verhörszene, in der sich Remigius (Helmut Lorin) vom Sünder zum Märtyrer wandelt - und in der Bernardo Gui (Frank Roder) mitleidige Freundlichkeit als grausamstes Instrument der Inquisition einsetzt. Wenn das ganze Unternehmen künftig diese Tiefenschärfe gewinnt, dürfte dem Dauer-Erfolg nichts mehr im Wege stehen.