Puppentheater Magdeburg Puppentheater Magdeburg: Muck in Not Mozart am Faden

magdeburg - „In der Stadt liegt das Glück auf der Straße“, sagt sich der kleine Muck und will sich damit Mut machen. Nachdem sein Vater gestorben ist, hält ihn nichts mehr in seinem Heimatort, wo er wegen seines verwachsenen Körpers als Missgeburt gilt, man ihm Steine und böse Reime nachwirft. So zu erleben im Puppentheater Magdeburg, das Wilhelm Hauffs Klassiker derzeit in einer Bühnenfassung von Frank A. Engel zeigt.
Die Inszenierung kommt mit bescheidener Ausstattung (Kerstin Schmidt und Frank A. Engel) aus. Als Spielfläche genügt eine schiefe Ebene, der Raum zu deren vier Seiten und eine Handvoll Utensilien. Mucks Bewegung im Raum wird vor allem durch Videoprojektionen (Stefano Trambusti) imaginiert, auf denen der Außenseiter als Schattenfigur zu sehen ist.
Schnell wie der Wind
Im Zentrum des Stücks stehen die orientalisch gekleideten mannshohen Figuren, die eine Einheit mit den vier Spielern bilden. Anna Wiesemeier spielt Muck, ihre Kollegen Freda Winter, Leonhard Schubert und Florian Kräuter die anderen Figuren des Märchens, das Hauff (1802-1827) im Jahr 1826 erstmals veröffentlichte.
Bis in die Stadt schafft es Muck zunächst nicht. Zuvor gerät er in die Fänge der Hexe Ahavzi, deren Haus und Katzen er hüten muss. In dem Wüstenpalast entdeckt er eines Tages jene Pantoffeln, die ihn in die Lage versetzen, schnell wie der Wind zu laufen und damit seiner Peinigerin zu entfliehen. Auch einen Stock nimmt Muck an sich, der, wie er später erfährt, die Macht hat, Schätze aufzufinden.
Dank der Schuhe kann er sich erfolgreich als Oberschnellläufer des Königs bewerben. Der wird von chronischer Langeweile geplagt, weshalb er mit sich „Ich packe meinen Koffer und nehme mit...“ spielt. In dem gleichen Maße, in dem die Gunst seiner Majestät für Muck wächst, steigert sich auch der Groll der Hofschranzen, für die hier stellvertretend Schatzmeister und Oberhofmarschall stehen. Die entspinnen eine Intrige gegen Muck, die ihm seine Stelle, Pantoffeln und Stock kostet. Aber Mucks Rache ist buchstäblich süß...
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Für den kleinen Kerl ist bald klar, dass das Glück weder in der Stadt auf der Straße noch auf den Fluren des Königspalasts zu finden ist. Aber wohin jetzt? „Ich war noch nie am Meer“, lautet Mucks letzter Satz in der rasanten Inszenierung des Magdeburger Puppentheaters – und schon ist er verschwunden. Aber nicht, ohne vorher abermals den Zauber gesprochen zu haben: „Frisch gedreht, dreimal im Kreise,/ schon geht sie los, die Wunderreise.“
Eine Wunderreise durch die mitteldeutsche Puppentheater-Geschichte kann erleben, wer der „Villa P.“ einen Besuch abstattet, die eine bauliche Einheit mit dem Theater bildet. Dort kann bis April die Ausstellung „Mozart in Magdeburg – Das Salzburger Marionettentheater“ betrachtet werden, die, wie das „Muck“-Stück nebenan, nur das Attribut „wundervoll“ verdient. Berühmt geworden sind die Salzburger durch detailverliebte Inszenierungen von Mozart-Opern für kleine Akteure am Faden, bei denen die Musik vom Band kommt.
Zwischen 1994 und 1996 wurden die fünf großen Mozart-Opern – mit einem großartigen Sir Peter Ustinov als mitreißenden Erzähler – auch für den Kultursender 3sat aufgezeichnet. Die kleinen Darsteller kann man jetzt in Magdeburg bewundern. Seit mehr als 100 Jahren erfreut die Bühne Groß und Klein. 1913 gegründet, wurde das Theater bis 2012 von der Familie Aicher in dritter Generation geführt. Seither steht Barbara Heuberger der Bühne vor, deren Inszenierungen ein Drittel des Jahres nicht daheim, sondern bei Gastspielen auf der ganzen Welt aufgeführt werden: 240 Tourneen in 50 Länder und 1 080 Städte hat man bislang absolviert. Über 150 Stücke wurden inszeniert und drei Millionen Besucher begrüßt.
Der erotische Anarchist
Das Herz der Magdeburger Schau bildet ein großes Tableau vor einem Foto von Schloss Schönbrunn in Wien, vor dem eine große Zahl jener Marionetten drapiert wurde, die in „Die Hochzeit des Figaro“, „Così fan tutte“ und „Die Entführung aus dem Serail“ ihren Auftritt hatten. Die anderen beiden weltberühmten Bühnenwerke, „Don Giovanni“ und „Die Zauberflöte“, haben eigene Kojen in der „Villa P.“.
Für alle, die die Inszenierungen im TV oder auf DVD gesehen haben, dürfte es besonders reizvoll sein, die Puppen von Don Giovanni, dem erotischen Anarchisten, und Papageno, dem wunderbunten Vogel aus Mozarts letzter Oper, aus nächste Nähe bestaunen zu können. Denn all diese Marionetten sind in der theatereigenen Werkstatt von Schnitzern und Puppenspielern aufwendig gestaltete und ausgestattete Kunstwerke, von denen pro Stück immerhin zwischen 20 und 90 benötigt werden.
„Der kleine Muck“: Restkarten für die Dezember-Vorstellungen telefonisch erfragen: (0391) 540 33 10. Die Ausstellung „Mozart in Magdeburg“ ist bis 24. April, Mi-So 11-17 Uhr, ebenfalls Warschauer Straße 25, zu sehen. (mz)