Puppentheater Halle Puppentheater Halle: Ihre Majestät sind völlig von der Rolle
HALLE/MZ. - Auf ihr Verlangen hin zieht einer der Domestiken ein Totenkopf-Püppchen auf den Finger, der Sensenmann winkt lockend, Elisabeth kreischt und windet sich, als gälte es wirklich das Leben. Dann sagt sie erschöpft und ernüchtert "Danke". Ein Ritual, das am Ende der Tod doch für sich entscheidet: Sie alle, die Königin und ihre dienstbaren Herren (Nils Dreschke, Sebastian Fortak, Lars Frank) werden zum Teufel gehen. Davor liegen neunzig furiose Minuten, Ihre Majestät, gespielt von Sandra Hüller, sind völlig von der Rolle. Claudia Bauer, die das Spektakel um die "Virgin Queen", die jungfräuliche Königin, mit Menschen und Puppen inszeniert hat, führt das Publikum in das 16. Jahrhundert - wilde Jahre auf der Insel: Elisabeths Regierungszeit von 1558 bis 1603 wird das Elisabethanische Zeitalter genannt, die Anglikanische Kirche gewinnt Gestalt, der Katholizismus hat ausgedient. William Shakespeare, wenn es ihn denn wirklich gegeben hat, schreibt an seinem Nachruhm. Und Verschwörungen gibt es zuhauf, Mord und Totschlag nach Herzenslust.
Diese Welt ersteht auf der Bühne des halleschen Puppentheaters, wo die Inszenierung der Berliner Volksbühne im Prater derzeit gastiert. Eine Welt, die vom Schlafzimmer der Königin aus besichtigt und beherrscht wird, Sandra Hüller zeigt Elisabeth als zwei Personen, die wechselnd nebeneinander stehen oder ineinander übergehen: herrschsüchtige Königin und einsame, verletzliche Frau. Dabei spielt Hüller zugleich die Schwierigkeit mit, sich in die Rolle dieser doppelten Identität zu begeben, bevor sie abermals außer sich ist - so nah ist sie bei ihrer Bühnenfigur.
Die bekommt in all ihrer Gebrochenheit ein sehr heutiges Antlitz: Die einsame, flirtende, sehnsüchtige Frau, die ihre hochadligen Bewerber sämtlich abweist und verspottet. Die Verzweifelte, die ihre Bediensteten missbraucht. Die skrupulöse Herrscherin, die endlich, wenn auch widerstrebend, der Hinrichtung Maria Stuarts zugestimmt hat und hernach die Erinnerung an das Blut der Toten flieht, bis sie die unausweichliche Angst besiegt und den Schädel mit einem Pürierstab "bearbeitet"...
Bilder wie dieses, verstärkt noch durch teils monströse, ewig kopulationsbereite Puppen, spiegeln ganz nach Art von Tarantinos Filmästhetik grausame Geschichte vor dem Hintergrund grausamer Hirnwelten. Ein großer Abend.
Nächste Vorstellungen am 19. / 20. / 21. November, jeweils um 20.30 Uhr.