Punks in der DDR Punks in der DDR: «Einsam hochgekommen und gestorben»
Halle/MZ. - Der aus Zwickau stammende Carsten Fiebeler, Regisseur von Spielfilmen wie "Die Datsche" und "Kleinruppin forever", hat den verlorenen Kinder der letzten DDR-Dekade ein dokumentarisches Denkmal gebaut. "Too Much Future" (Indigo) lässt einstige Akteure aus Bands wie Schleimkeim, Wutanfall und Betonromantik die Geschichte aus ihrer Sicht erzählen - und löst so das Versprechen ein, das die gleichnamige Ausstellung, die bis vor kurzem in Stadtmuseum Halle zu sehen war, nicht halten konnte. In den anderthalb Stunden Film aber gelingt das Kunststück, vor allem dank der großartigen Akteure, die Fiebeler vor die Kamera holt.
Cornelia Schleime, Daniel Kaiser, Bernd Stracke und Mita Schamal gehörten seinerzeit zu den Köpfen des DDR-Punk, die ein Paktieren mit der Staatsmacht konsequent ablehnten. Statt wie andere eine kleine Karriere als "andere Band" zu machen, gingen sie nach kurz geprobtem Aufstand mit Konzerten in Kellern und Kirchen in den Knast oder in den Westen.
Kein Traumziel, sondern Fluchtpunkt, wie das Schicksal von Mita Schamal zeigt, die bei der Band Namenlos trommelte. Wegen kritischer Texte verhaftet, zerbricht die damals noch nicht einmal 18-Jährige unter dem psychischen Druck der Verhöre. Cornelia Schleime hingegen, aus der Künstlerecke zum Punk konvertiert, den sie gemeinsam mit dem Dichter und Stasi-Spitzel Sascha Anderson bei Zwitschermaschine spielte, ist heute ein internationaler Malerstar. Im Film tritt sie auch wie einer auf: Blickt sie zurück, wird der Aufstand zum Spiel, der Abgang nach Westen zur Fingerübung für Auskenner. Trauer, Nostalgie? Ach, winkt Cornelia Schleime ab: "Der Ostpunk ist einsam hochgekommen und einsam gestorben."
Auch Mike Göde und Daniel Kaiser und Bernd Stracke, früher bei Betonromantik und Planlos, schauen nicht im Zorn zurück. Wie altgewordene Krieger kommentieren sie wacklige Super8-Aufnahmen aus den wilden Tagen, in denen sie jede Ordnung ablehnten.
Statt bei den Toten Hosen oder den Ärzte zu spielen, jobbt Göde heute als Gerüstbauer, nebenbei singt er in einer Hardcoreband. Daniel Kaiser hat lange Haare und ist technischer Direktor eines Opernhauses. Auch der Rest der Rebellion ist angekommen im bürgerlichen Leben, hat große Autos gekauft und Häuser gebaut, fährt am Wochenende ein bisschen mit der Harley raus und zieht süße Kinder groß. Am Ende des Films stehen sie dann alle noch mal in einem Keller, die alten Klampfen umgeschnallt, und spielen eines der rumpeligen Lieder, die damals klangen wie der Soundtrack zum Umsturz. Ein Irrtum: Staatsfeinde waren die nie. Sondern nur einfach wunderbar jung.
ostPunk - Too much future, DVD, Indigo Musikverlag