Preisverleihung Preisverleihung: «Christa Wolf hat Bürgerrechtlern Mut gemacht»

Neubrandenburg/dpa. - «Ohne sie wären die 1980er Jahre in derDDR anders verlaufen», sagte Hein am Freitagabend in Neubrandenburg,wo Wolf den Uwe-Johnson-Preis erhielt. Viele Bürgerrechtler hättendamals «auch von ihr Mut geliehen», erklärte Hein in seiner Laudatio.Das neue Buch von Wolf «Stadt der Engel» sei eine «handwerklichperfekte Lebensbeichte.» Christa Wolf ist nach acht Autoren die ersteFrau, die die mit 12 500 Euro dotierte Auszeichnung erhielt. ImOktober wird sie in Lübeck zudem mit dem mit 25 000 Euro dotiertenThomas-Mann-Preis geehrt. Hein gilt als einer der wichtigstenliterarischen Zeugen des DDR-Niedergangs.
Das Eintreten Wolfs für ihre Ideale in der DDR sei noch heutebeispielgebend, erklärte Hein. «Sie hat einen Staat verteidigt, anden sie damals glaubte.» Als diese Ideale brüchig wurden, habe Wolfim Zentralkomitee der SED der amtlichen Meinung widerstanden. «Daskommt auch in der Demokratie selten vor», sagte Hein mit Blick aufdie Gegenwart und das 20-jährige Jubiläum der Wiedervereinigung. Alseinen Knackpunkt in ihrer Haltung zum SED-Staat bezeichnete Wolfschon früher ihren Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermannsdurch die DDR-Führung Mitte der 1970er Jahre.
«Unser aller Leben ist abhängig von Koordinaten, die wir nichtbeeinflussen können», erklärte Hein. «Das Jahrhundert, das Vaterlandund das Elternhaus entscheiden viel für das Leben.» Wolfs Familie warbei Kriegsende 1945 mit einem Flüchtlingstreck im Westen Mecklenburgsangekommen, der erst amerikanisch und danach von der Sowjetarmeebesetzt wurde. In ihrem Buch stellt sie auch die Frage «Was wäregewesen, wenn ich im Westen gelandet wäre?» Die 81-Jährige zeigtesich am Freitagabend tief berührt von Heins Ausführungen. Sie habeUwe Johnson, der vier Jahre jünger als Wolf war, zwischen 1974 und1983 mehrfach getroffen. Sein Roman «Jahrestage», in dem Johnson dasLeben einer mecklenburgischen Familie beschreibt, sei mitunglaublicher Präzision geschrieben. «Er gab uns zu denken.»
Der Uwe-Johnson-Preis wird von der Tageszeitung «Nordkurier» undder Mecklenburgischen Literaturgesellschaft (MLG) alle zwei Jahre imWechsel mit einem Förderpreis an einen deutschsprachigen Autorvergeben. Die Auszeichnung erinnert an den Schriftsteller Uwe Johnson(1934-1984), der als einer der bedeutendsten Erzähler des 20.Jahrhunderts in Deutschland gilt. Johnson, dessen Vater in dieSowjetunion deportiert wurde und dort starb, verließ 1959 die DDR. Erstarb 1984 in England.