Potsdam Potsdam: Die Werke suchen ihre Orte
Potsdam/MZ. - Zum Finale der Reihe, die den blauweißroten Dreiklang der französischen Revolution mit ihren Idealen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit kurzschloss, hat sich diese Hoffnung als Irrtum entpuppt: Der Anfang des Projekts war das Ende des sicheren Domizils, nach dem Asyl im Schloss Sacrow 2007 musste nun wiederum ein neuer Ort gefunden werden.
Verspätete Ankunft
Dass diese Unwägbarkeiten auf das Ergebnis durchschlagen, kann "Drei Farben: Rot" in der Potsdamer Villa Kellermann kaum verhehlen. Nie war der Bezug zum Ort schwächer, nie die Auswahl beliebiger als in diesem Jahr. Dabei hätte die Geschichte des einstigen Kulturbund-Domizils durchaus Anlässe stiften können, wie sie im einstigen DDR-Erziehungsheim Groß Leuthen und im Grenztruppen-Stützpunkt Sacrow gefunden wurden. Namentlich die Nachwende-Historie, die von einem Immobilien-Hasardeur mit Hang zum Größenwahn geprägt wurde, lädt zum Nachdenken über den Begriff "Brüderlichkeit" ein. Doch dafür hätte es eines längeren Vorlaufs bedurft: So bleibt es bei einigen Raum-Interventionen wie Brigitte Waldachs beklemmendem RAF-Palimpsest "Gudrun und Christiane" und Marc Bauers hintersinniger Installation "Geschichte der Männlichkeit".
Während Waldach den Briefwechsel von Gudrun Ensslin und ihrer Schwester zu einer Textzelle verdichtet, gräbt Bauer im Untergrund von Vereinsritualen nach sexueller Aggression. Ansonsten greifen die Akteure unterschiedlich beherzt nach dem Thema. Während Cornelia Renz grelle Schlaglichter in die Dunkelkammer der Sansculotten wirft, inszeniert Alexandra Khlestkina eine groteske Video-Hymne auf "Wolodja" Lenin. Die Rauminszenierungen von José Noguero oder die Blut-Mikroskopie von Bettina Pousttchi hingegen nehmen eher die Farbe als die ihr zugewiesene Tugend zum Anlass. Und ob Pop-Urvater Richard Hamilton von seiner Kronzeugenschaft für den "Rohkunstbau" weiß, darf angesichts der gezeigten Arbeiten zumindest bezweifelt werden.
Als zusätzliche Hypothek für das Unternehmen erweist sich in diesem Jahr die unmittelbare Nachbarschaft zu einer Schau, die ihren Ortsbezug ganz entspannt ausspielen kann. Mit der "Neuen Kunst in den Neuen Kammern" präsentiert das Kuratoren-Büro Flora 16 vorwiegend heitere Arrangements, die perfekt zum Gästeschloss Friedrichs des Großen in Sanssouci passen. Elisabeth Sonneck beispielsweise doppelt für ihr "ritardando" das Boden-Muster - und legt so erhöhte Stolperfallen auf die geschliffenen Marmor-Intarsien. Auch Coco Kühns "Vorrat" ist so passgenau in einen Kamin gebettet, dass man die Bierdosen-Rohlinge erst auf den zweiten Blick erkennt.
Barocke Sammellust
Mit ihren absurden Maschinen und pittoresken Stein- oder Schneeflockenkollektionen, die ebenso wie die Schminkutensilien und die Mode-Accessoires aus Papier gefaltet sind, hebt Julia Büttelmann auf die barocke Sammelleidenschaft und auf die Lust am Künstlichen ab. Ruth Handschin erfindet für ihre "Dessous du Roi" gar einen Briefwechsel des großen Friedrich mit seinem französischen Amtsbruder Louis XIV., der sich wenigstens für seine Unterwäsche florale Alternativ-Dekors zur allgegenwärtigen Bourbonen-Lilie entwerfen ließ. Diese Kunst ist natürlich so kandiert und dekorativ wie Käthe Wenzels Zuckerpuppen. Aber ein wenig Selbstironie und Hintersinn könnten die schmallippigen Rohkünstler von dieser Schau lernen.
"Rohkunstbau" bis 5. Oktober, Do-So 14-19 Uhr; "Neue Kunst ..." bis 28. September, Di-So 10-18 Uhr