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Popmusik Popmusik: Moskauer Kids singen Hits von «Tokio Hotel» problemlos mit

Von Friedemann Kohler 19.11.2006, 16:30
Die Teenie-Band «Tokio Hotel» tritt in der ZDF-Unterhaltungsshow «Wetten, dass..?» in Halle an der Saale auf (Archivfoto vom 01.04.2006). (Foto: dpa)
Die Teenie-Band «Tokio Hotel» tritt in der ZDF-Unterhaltungsshow «Wetten, dass..?» in Halle an der Saale auf (Archivfoto vom 01.04.2006). (Foto: dpa) dpa-Zentralbild pool

Moskau/dpa. - Die deutsche Band um die Magdeburger Zwillinge Billund Tom Kaulitz gab am Samstag in der russischen Hauptstadt einesihrer ersten Konzerte im Ausland. Zwar war die Halle im SportparkLuschniki nur halb gefüllt, doch der Jubel der hellen Teenie-Stimmenwar auch so ohrenbetäubend.

Sprachlich ersetzte die gut einstündige Show das Vokabelpauken beiMoskauer Deutschlehrern oder am Goethe-Institut. Gestützt aufeifriges Internet- und Fernsehstudium konnte die russischen Jugend«Durch den Monsun», «Rette mich» und andere Hits von «Tokio Hotel»lauthals auf Deutsch mitsingen.

«Wir sind ganz große Fans», schwärmten die NeuntklässlerinnenDascha und Julia - schwarz aufgebrezelt und gepierct wie Sänger Bill.Der wirbelte über die Bühne und blieb bei seinen Ansagen strikt beiDeutsch - kein Wort Englisch oder angelerntes Russisch.

Russland war schon immer ein dankbarer Markt für den anderswoschwergängigen Exportartikel Deutsche Popmusik. In Russland läuftseit Jahrzehnten kaum eine Dorfdisco ohne Musik von «Modern Talking».Die «Scorpions» öffneten 1988 die Sowjetunion für den Hardrock.«Rammstein» könnte in Russland jede Halle füllen, wenn die Behördendie Brutalorocker denn öfter ins Land ließen.

Auf dem Schulhof der Deutschen Schule Moskau sorgte dasbevorstehende Konzert seit Wochen für Gesprächsstoff beim 10- bis 14-jährigen Stammpublikum von «Tokio Hotel»: Wer kann seine Elternüberreden mitzugehen? Werden sie das Geld für die Tickets rausrücken?«Wir haben schon lange Karten», freute sich die zehnjährige Wiebke.

Auch dem 16-jährigen Russen Witali hatten die Eltern den Eintrittgezahlt. «Ich bin im Sommer auf einem weißrussischen Musiksender zumersten Mal auf "Tokio Hotel" gestoßen», erzählte er. Die Texte undrussischen Übersetzungen habe er sich im Internet heruntergeladen.

Nach dem kometenhaften Aufstieg in Deutschland bereitet dasManagement von «Tokio Hotel» auch den Weg auf den internationalenMarkt in Netz, Fernsehen und Radio generalstabsmäßig vor. Vor demMoskauer Konzert mussten Tom, Bill, Georg und Gustav einen Tag langTermine mit der russischen Jugendpresse abarbeiten.

Musikalisch sind «Tokio Hotel» so wie sind. «Wer als Musikfan auchnur ein bisschen Erfahrung hat, und sei es mit Punkrock, der wirdbeim Zuhören offen gähnen», nörgelte der schrecklich erwachseneMusikkritiker der Zeitung «Kommersant».

Doch Musik und Lebensgefühl von «Tokio Hotel» scheinen Teenagergrenz- und sprachübergreifend anzusprechen. Die deutsche Textzeile«Ich bin dagegen» sangen die pubertierenden Moskauer genausobegeistert mit wie «Leb' die Sekunde». Und als Zugabe machte die Bandaus dem Land der Dichter und Denker die jungen Russen sogar mit demmetaphysischen Begriff «Unendlichkeit» vertraut.