Pop-Dandy Bryan Ferry singt Bob Dylan
Hamburg/dpa. - Geschlagene 34 Jahre hat Bryan Ferry die Idee mit sich herumgetragen und sie nun endlich in die Tat umgesetzt: Mit «Dylanesque» veröffentlicht der 61-jährige britische Musiker ein Album, das ausschließlich aus Coverversionen von Bob-Dylan-Songs besteht.
Der Dandy und Gentleman des Pop covert also den Mann, der gemeinhin als einer der wichtigsten und einflussreichsten Songwriter der Popgeschichte gehandelt wird. Am Ende kommt dabei etwas heraus, für das im englischsprachigen Raum die Abkürzung AOR steht: Adult Oriented Rock, Rockmusik für Erwachsene.
Man kann Bryan Ferry mit Fug und Recht einen Superstar nennen. Seit mehr als drei Jahrzehnten drückt der Musiker aus dem Norden Englands nun der Popwelt schon seinen Stempel auf. Ferry avancierte vom Bergarbeitersohn zu einer der glamourösesten Figuren der Popkultur. Seine Band Roxy Music gilt auch heute noch zahlreichen jungen Künstlern als Stil prägendes Vorbild. Als Solokünstler kultivierte Bryan Ferry die Figur des hedonistischen Dandys noch nachhaltiger.
Zwischen dem Gentleman des Pops und Bob Dylan, aus dessen Werk sich Bryan Ferry auf «Dylanesque» übrigens nicht zum ersten Mal bedient, tun sich Welten auf. Erfolgreich und wichtig für die Geschichte der populären Musik sind beide Künstler. Während Bryan Ferry ein Sinnbild schillernder Oberflächen und der Inszenierung von Modernität ist, verkörpert Dylan lyrische Tiefe und einen traditionsbewussten Umgang mit Folk und Rock.
Begegnet sind sich die beiden Ikonen Dylan und Ferry persönlich noch nie. Was ihn dazu bewogen hat, sich in diesem ausgiebigen Maße mit dem Werk Bob Dylans zu beschäftigen, erklärt Bryan Ferry so, wie man es im Grunde von ihm erwartet. Es sind die Ästhetik der Songtexte und die Zeitlosigkeit der Musik Bob Dylans, die Bryan Ferry faszinieren. Begonnen hat diese Faszination schon früh, genauer gesagt, als Bob Dylan unter dem Protest vieler Fans der ersten Stunde, die elektrische Gitarre zur Hand nahm. Bryan Ferrys Begeisterung mündete in einigen vereinzelten Dylan-Coverversionen und in Songskizzen, die dann aber jahrelang in der Schublade verschwanden, bis der Musiker sie für das Projekt «Dylanesque» endlich wieder hervor holte.
So lange die ursprüngliche Entwicklung der Idee bis zum Album gedauert hat, so schnell sind die Aufnahmen für die neue Platte letztendlich im Kasten gewesen. Gerade mal eine Woche hat die Arbeit im Studio in Anspruch genommen. Aufgenommen wurde live, und diese straffe und unmittelbare Arbeitsweise hat dafür gesorgt, dass die Atmosphäre von «Dylanesque» sich zumindest ein Stückchen von dem auf Hochglanz polierten Glamour entfernt, den man von Bryan Ferry normalerweise erwartet.
Unterstützt von unter anderem Brian Eno und der Band, mit der Bryan Ferry in letzter Zeit als Solokünstler gearbeitet hat, hat Ferry eine Auswahl von Stücken neu bearbeitet, die durchaus überrascht. Statt sich Teilen des weniger populären und wohlbekannten Werkes von Bob Dylan anzunehmen, setzt Bryan Ferry häufig auf Klassiker, die auch schon durch andere Hände gegangen sind. Er habe sich nicht nur von den Originalen, sondern auch von nachfolgenden Interpretationen inspirieren lassen, erklärt der Künstler. Jimi Hendrix sei also eben so präsent gewesen, als es an die Neuinterpretation von «All Along The Watchtower» ging, wie der eigentliche Urheber.
Nun treffen die Songs des kantigen Dylan, dessen Singstimme sich Zeit seines Lebens weigerte, der gängigen Vorstellung von Ästhetik zu entsprechen, auf den Sänger, für den die Schönheit und Stil stets viel mehr als eine Nasenlänge vor Inhalt und Bedeutung rangierte. Diese durchaus spannende Begegnung zwischen Songwriter und Sänger funktioniert sehr gut. Anders hat man es vom in der Kunst des Coverns versierten Bryan Ferry nicht erwartet, vor allem angesichts der Tatsache, dass Ferry gut drei Jahrzehnte mit der Idee, Dylan ausgiebiger neu zu interpretieren, schwanger gegangen ist.
Dass seine Band diese lange Zeit der Beschäftigung mit dem Thema nicht im Rücken hat, hört man «Dylanesque» allerdings dann doch an. Während Bryan Ferry Bob Dylans Texte mit der Allgemeingültigkeit des Universal-Ästheten und seine Melodien mit der stimmlichen Präzision des unübertroffenen Poppers alter Schule füllt, liefert die Band eine weniger seelenvolle als einfach solide Interpretation ab.