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Tod durch Schüsse Polizistenmorde in der DDR - und welche bis heute mysteriös bleiben Remo Koll/Frank-Rainer Schurich: "Polizistenmorde - Vier authentische Kriminalfälle aus der DDR

Von Kai Agthe 15.06.2019, 08:00
Kriminaltechnische Rekonstruktion des Kalaschnikow-Beschusses auf ein Polizeifahrzeug mit einem Dummy in Leipzig 1981.
Kriminaltechnische Rekonstruktion des Kalaschnikow-Beschusses auf ein Polizeifahrzeug mit einem Dummy in Leipzig 1981. BSTU-Archiv leipzig

Halle (Saale) - Auch wenn zahlreiche Witze über sie im Land kursierten, Volkspolizisten galten in der DDR auch dann als Respektspersonen, wenn sie nicht im weiß-grünen Funkstreifenwagen der Marke Lada saßen oder zu zweit und mit Schäferhund an der Seite zu allen Tages- und Nachtzeiten auf Kontrollgängen in den Städten unterwegs waren.

Doch auch diese Regel wird erst durch die Ausnahme bestätigt. Die Ausnahme, das waren vor dem Jahr 1989 Gewalttaten an Volkspolizisten im Dienst wie jene, die das Autoren-Duo Remo Koll und Frank-Rainer Schurich jetzt im Buch „Polizistenmorde - Vier authentische Kriminalfälle aus der DDR“ detailliert rekonstruiert. Obwohl die Aufklärungsquote bei Kapitalverbrechen wie Mord in der DDR überdurchschnittlich hoch war, konnten in den hier beschriebenen vier Fällen nur zwei Täter überführt und verurteilt werden.

Für alle Fälle kann geltend gemacht werden, dass sie sich auch ein auf Kriminalfilme spezialisierter Drehbuchautor kaum so hätte ausdenken können. Da ist jener Fall, der sich 1972 in der Magdeburger Börde zutrug. In Seehausen wurde am 13. Februar des Jahres der Abschnittsbevollmächtigte Karl Lindner (die Opfer werden im Buch stets mit Klarnamen genannt) mit seiner Dienstwaffe vom russischen Typ Makarow von Klaus Jatzek (die Namen der Täter wurden verändert) mit zwei Schüssen getötet, als der Polizist ihn zu Hause für eine Befragung aufsuchte.

Diebstahl der Dienstwaffe

Jatzek, der bereits zuvor verschiedentlich mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, floh nach der Tat mit der Pistole des Polizisten, stahl mit vorgehaltener Waffe ein Motorrad und fuhr mit diesem bis zur Auffahrt Schermen an der heutigen Autobahn 2, weil er, wie er wenig später im Verhör mehrfach angab und auch mehrfach revidierte, in die Bundesrepublik fliehen wollte.

Die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens begreifend, stellte sich Jatzek noch am selben Tag den Behörden. Nach 37 Vernehmungen durch Kriminalpolizei und Staatssicherheit wurde in Magdeburg Anklage wegen Mordes gegen Jatzek erhoben. Am Ende des zügig geführten Prozesses im März 1973 stand ein Todesurteil, das in der Zentralen Hinrichtungsstätte der DDR in Leipzig durch Kopfschuss oder, wie es im damaligen Amtsdeutsch hieß, durch „unerwarteten Nahschuss“ vollstreckt wurde. Ein an die DDR-Regierung gerichtetes Gnadengesuch des Todeskandidaten Jatzek war abgelehnt worden.

Polizist wurde absichtlich überfahren - Täter nie gefunden

In diesem Fall konnte der Täter, dank eigenen Zutuns, schnell ergriffen und verurteilt werden. Doch nicht bei jedem Mord hat man so rasch Ermittlungserfolge erzielen können. So wurde das Tötungsdelikt an dem Polizisten Manfred Biernaczyk - der 1973 im Ost-Berliner Stadtteil Buch wohl vorsätzlich von einem Fahrer oder einer Fahrerin eines Pkw Wolga überfahren wurde - so wenig aufgeklärt wie der Mord an seinem Kollegen Lutz Lawrenz.

Der kam im September 1982 in Berlin-Pankow auf einem Hinterhof durch insgesamt 14 Messerstiche zu Tode. Auch hier entwendete der Täter die Dienstwaffe des Volkspolizisten. Trotz intensiver Ermittlungen einer 13 Kriminalisten starken Gruppe konnte auch hier der Mörder nicht gestellt werden. „Aber die Kriminalisten wissen nur zu gut, dass Stärke nicht immer mit Siegen einhergeht“, so die Autoren.

Amoklauf durch Leipzig

Ähnlich schnell wie Jatzek konnte im Januar 1981 in Leipzig Helmut Cornelius gefasst werden. Dem war es zuvor gelungen, dem Wachposten einer NVA-Kaserne die Maschinenpistole AK 47 sowie zwei Magazine zu je 30 Schuss durch Gewaltanwendung abzunehmen. Mit der Kalaschnikow setzte der Amokläufer nicht nur Zivilisten im Leipziger Stadtgebiet in Angst und Schrecken, sondern tötete auch den Polizisten Gerhard Gergaut, als Cornelius MPi-Dauerfeuer auf einen nahenden Streifenwagen der Volkspolizei richtete.

Cornelius war nach seiner Festnahme geständig und reuig. Er wurde im Frühjahr 1981 - obwohl die Todesstrafe in der DDR offiziell erst 1987 abgeschafft wurde - zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt und 1991 vorzeitig entlassen.

››Remo Koll/Frank-Rainer Schurich: „Polizistenmorde - Vier authentische Kriminalfälle aus der DDR“, Verlag Bild und Heimat, 239 Seiten, 9,99 Euro

(mz)