Phillip Boa in Halle Phillip Boa in Halle: Begeisterungsbeben beim Anti-Rockstar
Halle/MZ. - Seine Stimme ist eine Gießkanne, knarrend und grollend. Der Körper so gigantisch und ungelenk, dass rhythmische Bewegungen sehen bei Ernst Ulrich Figgen aussehen, als rudere er in Zeitlupe einem unhörbaren Beat hinterher.
So war es immer, wenn der Mann, der sich Phillip Boa nennt, auf einer Bühne stand. Und so ist es auch an diesem Donnerstagabend in der prallvollen halleschen Easyschorre: Boa spielt Gitarre und fuhrwerkt mit den Händen mehr in seinem Pony herum, als dass er sie über die Saiten gleiten lässt. Er singt wie ein müder Bär, tanzt wie ein Eisschrank und boxt bei "Love On Sale" schultersteif in die Luft, dass der Saal vor Vergnügen tobt.
Kaum weiter verwunderlich. Boa, der Antistar, war nie mit den Maßstäben zu messen, die für gewöhnlich an Menschen in seinem Metier angelegt werden. So linkisch er auf der Bühne agiert, so elegant hat er sich 18Jahre lang dem großen Ruhm entzogen. Der Mann ist ein Unikum im Rock-Universum. Für Punk zu melodisch, für Pop zu intellektuell, schuf er sich sein eigenes Reich aus Ballerbeats und harten Gitarren, süßen Melodien und Texten zwischen Größenwahn und irrlichternder Selbstironie.
Diese Tournee, sechs Jahre nach der letzten, ist das Comeback eines Mannes, der nie wirklich weg war. Geübt in der Inszenierung der eigenen Person, hatte der "westfälische Dickschädel" (Boa über Boa) seinen legendären Voodooclub zum Leidwesen seiner Fangemeinde zuerst aufgelöst und sich von Sängerin Pia Lund getrennt. Um ihn nun, nach einigen kommerziell eher bescheidenen Solo-Arbeiten, mit großer Geste zu reaktivieren. Auch Pia Lund, ein anämisches Wesen mit feenhafter Stimme, ist wieder an Bord. Im knappen Stretchkleid steht sie winzig klein neben dem Meister in seiner Zeltkutte, wippt verhalten im Takt und singt die wogend melodischen Refrains von Klassikern wie "Container Love" und "Deep in Velvet". Die haben nichts an Kraft verloren. "Fine Art On Silver", von Boa brummig vorgetragen, und "Then She Kissed Her", von Pia Lund gehaucht, sind Ohrwürmer, bescheiden versteckt hinter dem Wummern des Voodooclub. Neue Stücke wie "I´m Ex-1/2 Popstar" oder "Slipstream" schließen nahtlos an, wirken aber dunkler, weniger knallig.
"Ich würde gern wissen, was ihr darüber denkt", sinniert Boa anschließend, bekommt aber nur Jubel als Antwort. Jaja, diese ganze Popstarsache, nuschelt er da, und lugt wacklig durch seine Haargardine. "Ich ertrag das nicht mehr." Und kann doch gar nichts dagegen tun: Mit der finalen Aufforderung "Kill Your Idols", 16Jahre alt und immer wieder wie nagelneu, bebt der Boden vor Begeisterung.