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Über sieben Brücken aus Siebenbürgen Peter Maffays spricht im Steintor-Varieté Halle (Saale) über sein Leben

02.02.2017, 19:29
Fröhlich eingeschenkt: Peter Maffay (links) und Moderator Paul-Werner Wagner
Fröhlich eingeschenkt: Peter Maffay (links) und Moderator Paul-Werner Wagner Holger John / VIADATA Photo

Halle (Saale) - Am Ende gibt es Standing Ovations. Mehr als 900 Menschen reißt es am Mittwochabend im halleschen Steintor aus den schwarzen Klappstühlen.  Dabei hatte Peter Maffay keinen einzigen  Ton gesungen. Er hatte nur geredet. Zweieinhalb Stunden lang. Über sich, seine Musik, die Welt.  Vom  rumänischen Siebenbürgen, wo er 1949 geboren wurde, sozusagen bis  hin zu den sieben Brücken, über die einer gehen muss, um der Star zu werden, der Peter Maffay heute ist.  Von seiner Mutter Augustine plauderte er, seinem Vater, dem Büchsenmacher Wilhelm, bis - nein, über seine junge hallesche Lebensgefährtin sagte der Musiker kein einziges Wort. So wie überhaupt von Halle nicht die Rede war. Da reichte auf einmal die Zeit nicht mehr.  Hendrikje Balsmeier, die Frau an Maffays Seite, saß im ersten Rang des Varieté-Theaters, den neugierigen Blicken entzogen.

Peter Maffay im Steintor-Varieté: 900 Menschen hören den Worten des Deutschrockers zu

In der ersten Reihe saßen Andere. Der ostdeutsche Star-Anwalt Peter-Michael Diestel und der hallesche SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby. Letzteres ist kein Zufall. Veranstalter des Abends ist die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, die sich zur 50. Ausgabe ihres von Paul-Werner Wagner seit 15 Jahren moderierten Forums  Kultur & Politik unter dem Motto „Leben mit Musik und hohem Tempo“ den Star bescherte, der dem Moderator vor einem Jahr zufällig in einem halleschen Hotel über den Weg gelaufen war. Warum wohl?

Man muss nicht alles wissen. Die Tatsache, einen der großen alten Männer des Deutschrock bei freiem Eintritt in Halle bestaunen zu dürfen, ist Überraschung genug. Die Ebert-Stiftung, die ihre Abende mit Einladungen bewirbt, arbeitete hier hart am Limit. Die Software, die die Anmeldungen zu erfassen hat, kann nicht bis 900 zählen.

Zwei graue  Ledersessel, ein  Tischchen und ein riesiger Bildschirm. Mehr braucht es nicht, um den erfolgreichsten deutschen Rockmusiker zu präsentieren. Es braucht nicht einmal echte Fragen, denn der Moderator hakt nur Stationen und Stichworte ab, so dass für den Zuhörer der Verlauf des Abends schnell vorhersehbar ist.

Peter Maffay spricht über die Kindheit und frühe Jugend in Rumänien

Aber Maffay kann auch das. Zu dem vielen Guten, was über den smarten, grau in grau gekleideten Herrn mit schwarzem Wuschelhalstuch und  ausfahrenden Lederstiefeletten zu sagen wäre, gehört auch das: Erliefert. Höflich, herzlich, zugewandt, mit einer Genauigkeit, die an Pedanterie grenzt. Wer  wenig über ihn wusste, weiß am Ende alles.  Jedenfalls, was auf der Bühne eine Abfrage wert ist.

Am stärksten entfaltet sich für den Zuhörer das am meisten Entlegene: die Kindheit und frühe Jugend in Rumänien. Der Staat, in dem Peter Maffay lebte, als er noch Makkay hieß, und dem er  mit seiner Familie am 23. August 1963 entkam. Ausgerechnet an jenem Tag, den die kommunistische Diktatur als „Tag der Befreiung“ feierte. Zwei Jahre lang, erzählt Maffay, hätten seine Eltern auf eine Familienzusammenführung im Westen gedrungen, die erst möglich wurde, nachdem - was üblich war - mit Westgeld gezahlt wurde. Als die Familie auf dem Flughafen in Bukarest der Maschine nach München zueilte, sagte der fast 14-Jährige laut zu seinem Vater: „Das wird unser Tag der Befreiung!“ Woraufhin der Vater seinen Sohn schubste: „Das kannst du mir sagen, wenn wir in 10 000 Meter Höhe sind, vorher nicht.“

Auch wenn das Leben in Rumänien „selten überschwänglich und fröhlich“ war: Maffays Kindheits-Siebenbürgen erscheint als ein traumhaftes Gelände hinter  sieben Bergen. Malerische Städte, freundliche Nachbarn. Wenn der Vater einen Hasen schoss, sagt der Sänger, wurde der im ganzen Haus verteilt. Das Geigespiel wurde dem Jungen verordnet,  zur Gitarre hat er selbst gegriffen. Die erste Single, die Maffay besaß, stammte von dem singenden Leichtathleten Martin Lauer. In Oberbayern dann heuerte der Einwanderer in einer Schülerband an, spielte nach, was die Juke Box hergab, zog im Folk-Beat-Duo Peter & Margit durch München, wo ihn 1970 die Ehefrau des  Musikproduzenten  Michael Kunze entdeckte. „Ich singe alles“, sagte Maffay. Also sang er „Du“. Ein Fünf-Minuten-Schlager, den  kein Radio spielen wollte. Außer Luxemburg. Es wurde ein Mega-Hit und Peter Maffay ging dem bürgerlichen Leben verloren.

Mit  „Steppenwolf“ gelingt 1979 der Wechsel ins Rockfach, mit „Tabaluga“ 1983 der ins Musical. Eigentlich sollte Tabaluga ein Frosch sein, enthüllt Maffay, aber der Kindersänger Rolf Zuckowski hätte abgeraten. Anfang der 80er Jahre trifft der Musiker mit „Eiszeit“ („Atlantis kommt jetzt hoch, / doch wo bleibt der Mensch, / der sich daran freut“) einen Nerv der Friedensbewegung. Ein holpriger Einspieler lässt im Steintor die Stimme hören. „Faltenloser Gesang“, lacht Maffay.

Maffay 1990 in Leipzig: Legendäres Konzert vor 80.000 Menschen

Es war der gut vernetzte Oskar Lafontaine, der die Maffay-Band 1986 in die DDR lotste, die sich aus den Ost-Konzerten aber zurückzog, als 1988 der Sänger Stephan Krawczyk in Ostberlin verhaftet wurde. 1990 gab Maffay dann in Leipzig ein legendäres Konzert vor 80.000 Menschen. Über den Steintor-Bildschirm flackert der 2014er Hit „Niemals war es besser“. Stimmt das? Er bilde sich ein, sagt Maffay, dass er immer noch von dem Aufbruch zehre, den er mit 14 erlebte. Er und seine Band. „Es sind noch die gleichen Harmonien. Wir sind auch nicht viel gewachsen.“ Die Lacher folgen prompt.

Politisch, sagt Maffay, setze er auf das „Argument“, nicht „Parteibuch“. Martin Schulz findet er trotzdem prima. Den US-Präsidenten hingegen nennt er einen „Vorturner, der höchst fragwürdig“ sei. Maffay sagt nur Zustimmungsfähiges. Es wäre nicht richtig, ihn als Bundespräsidenten des Deutschrock zu bezeichnen, aber ganz falsch läge man nicht. An diesem Freitag erhält der Sänger, der eine Stiftung für traumatisierte Kinder betreibt, auf dem Semperopernball den Dresdner St. Georgs Orden. Der ehrt Menschen, „die sich wie der Heilige Georg für das Gute in der Welt einsetzen“.

Der Abend zeigt: Peter Maffay hatte das  Glück, stets zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Menschen zu treffen. Und die Kühnheit,  sich gegen falschen Rat durchzusetzen: bei seinem Wechsel hin zum Deutschrock, zur Kindermusik. Vielleicht wäre es Zeit für etwas Neues. Aber vielleicht ist es ja das Neue, dass er mit fast 70 gefeiert wird  wie ein 17-Jähriger. (mz)