Peter Konwitschny Peter Konwitschny: «Das Theater wird von der Gegenwart abgewickelt»
Halle/MZ. - Am Sonntag wird der Opern-Regisseur Peter Konwitschny in Halle mit dem undotierten Preis geehrt, den das Internationale Theaterinstitut (ITI) Zentrum Deutschland anlässlich des Welttheatertags verleiht. Zur Begründung heißt es, der 62-Jährige sei ein Künstler, "dessen konsequent gegenwärtige Opernarbeiten markante, widerständige Akzente in der nationalen und internationalen Opernlandschaft setzen". Seine Interpretationen seien "Fragen, die nicht selten radikale Gegenstimmen provozieren". Mit Peter Konwitschny, der mit der Auszeichnung in die Reihe so prominenter Preisträger wie George Tabori, Pina Bausch, Hans Werner Henze und Adolf Dresen tritt, sprach unser Redakteur Andreas Hillger.
Herr Konwitschny, finden Sie Halle für die Verleihung des ITI-Preises gut gewählt - oder ist die Stadt für Sie inzwischen ein Ort wie jeder andere?
Konwitschny: Nein, das Opernhaus Halle ist diesem Anlass natürlich sehr angemessen. Immerhin habe ich hier ziemlich am Anfang meiner Theaterarbeit, zwischen 1984 und 1990, prägende Erfahrungen sammeln können - und vor allem in der Auseinandersetzung mit den Opern von Georg Friedrich Händel wichtige Entscheidungen getroffen.
War die Begegnung mit der Barockoper für Sie damals stilprägend?
Konwitschny: Ganz am Anfang standen ja andere Werke, etwa die "Gräfin Mariza" oder "Der Freischütz". Aber in meinen Jahren am Berliner Ensemble hatte ich viel über die Brechtsche Theatertheorie der Verfremdung gelernt, die sich dann in Halle auf Händel tatsächlich besonders gut anwenden ließ. Die Da-Capo-Arien beispielsweise, die man im 20. Jahrhundert zuvor mit durchgängigen Texten versehen oder um die Wiederholungen gekürzt hatte, ließen sich mit dieser nicht-naturalistischen Spielweise plötzlich wieder als Original behandeln. So konnte man Händel mit Brechts Mitteln zu den Wurzeln zurückführen.
Inzwischen haben Sie sich von dieser Epoche weit entfernt. Warum?
Konwitschny: Ich finde noch immer, dass sich hier eine großartige Form mit grandioser Musik verbindet. Aber ich habe in meiner Karriere meist Angebote geprüft und angenommen, die von den Theatern kamen - und war damit den Plänen der Intendanten unterworfen. Wenn Sie freilich sehen, dass die nächsten Premieren Lehars "Land des Lächelns" in Berlin und Paul Dessaus "Lancelot" in Stuttgart sein werden, erkennen Sie die Bandbreite dieses Prinzips.
"Das Theater wird von der Gegenwart abgewickelt. Die Häuser verwandeln sich in Event-Orte." Sie haben sich in der Vergangenheit immer wieder skeptisch über die Zukunft des Theaters geäußert. Gilt diese Perspektive noch?
Konwitschny: Natürlich, das Theater wird von der Gegenwart abgewickelt - und wenn die Häuser nicht schließen, verwandeln sie sich in Event-Orte für das Publikum. In der Vergangenheit war das Theater ein Ort, wo der Mensch reifen konnte. Hierher ging man, um sich zu bilden und zu sensibilisieren. Doch diese Auseinandersetzung über den reinen Kultur-Konsum hinaus wird nur noch von Wenigen gewollt - was man auch an der Ausbildung der Künstler sieht. Heute lernen die jungen Regisseure und Darsteller vor allem, dass und wie sie sich verkaufen müssen. Das war zu meiner Studienzeit anders, da ging es mehr um den Inhalt der Werke als den der Bewerbungsmappen.
Und der beste Weg zum Markenartikel ist der Skandal?
Konwitschny: Das ist wiederum ein Ergebnis der Medienmaschine, die uns alle frisst - und die immer neue Nahrung braucht. Aufmerksamkeit lässt sich nun mal am besten durch Lärm erzeugen - und ob ein Konzept aus der Substanz des Werks entwickelt oder von außen an die Oberfläche gepappt wird, ist dabei zweitrangig. Insofern bin ich froh, dass ich mich jahrelang an kleineren Häusern und in einem medial relativ geschützten Raum entwickeln konnte.
Haben Sie sich inzwischen an den Skandal gewöhnt, den Ihre Arbeiten regelmäßig auslösen?
Konwitschny: Natürlich gibt es Kritiker, die mir unterstellen, dass ich die Buh-Rufe regelrecht genieße. Aber das ist Quatsch - ich bedaure die Missverständnisse und wäre viel glücklicher, wenn alle meine Sicht auf das jeweilige Werk teilen könnten. Allerdings weiß ich während der Proben schon, an welcher Stelle die Buh-Rufe kommen werden. Aber darauf kann und darf ich dann keine Rücksicht nehmen. Generell aber gilt, dass man als Künstler Anerkennung sucht - und in einem durchaus narzisstischen Sinn auch geliebt werden will.
Was sind Ihre nächsten Schritte auf diesem Weg? Wäre für Händel und Halle noch einmal Platz?
Konwitschny: Bis zur Saison 2010 / 11 ist mein Terminkalender voll. Hinzu kommt, dass ich nicht mehr genügend Zeit finde, um nur noch Neueinstudierungen zu inszenieren. Das heißt, dass die Zahl der Remakes wächst - was ja eine schöne Sache ist, weil meine Arbeit dadurch an mehreren Orten zu erleben ist. Aber eine Händel-Oper in Halle wäre durchaus eine Option.
Der Eintritt zu der Opernhaus-Matinee am Sonntag um 12.30 Uhr ist frei. Neben der Laudatio des Musikwissenschaftlers Gerd Rienäcker sind Ausschnitte aus Konwitschnys legendären Inszenierungen "Tamerlano" und "Rinaldo" angekündigt. Begleitet vom Halleschen Consort singen Annette Markert und Axel Köhler.