Peißnitzinsel in Halle Peißnitzinsel in Halle: Puhdys geben umjubeltes Open-Air-Abschiedskonzert

halle (saale) - Er ist 24, aufgewachsen in der Nachwendezeit, der Generation Musik-CD. Und doch: Es waren gute alte Vinyl-Platten aus Opas Schrank, die Stephan Zaske musikalisch die Richtung wiesen. Acht Jahre alt war er, als er beim Großvater „Das Buch“, „Ohne Schminke“ und „Live in Sachsen“ hörte. „1999 war ich auf meinem ersten Puhdys-Konzert - ab da ging es richtig los“, sagt der Weißenfelser. „Geile Musik, vernünftige Texte“ - was braucht der Fan mehr? Irgendwann hat er mit Playmobil-Teilen gar die Puhdys-Bühne nachgebaut.
Am Samstagabend steht Zaske - natürlich! - im Puhdys-Shirt auf der halleschen Peißnitzinsel, um die Kult-Band aus dem Osten auf dem letzten Weg in die schon in den 80ern besungene Rockerrente zu begleiten. „Mein 29. Puhdys-Konzert“, sagt Zaske, bevor er sich durch die Menschenmenge ein Stück weiter nach vorn in Richtung Bühne arbeitet. Dort singen die ersten in Anlehnung an den legendären Eisbär-Song inzwischen längst „Hey, wir wollen die Puhdys seh’n.“
Mehr als 4000 Konzerte
22 Millionen Tonträger haben die Puhdys bis heute verkauft, seit dem ersten Konzert 1969 im Freiberger „Tivoli“ mehr als 4000 Konzerte gegeben. Zum Auftakt ihres letzten Open-Air-Spektakels in Halle erklingt zwar lautstark „Und wir geh'n nicht von Bord...“ („Unser Schiff“), nach fast einem halben Jahrhundert auf der Bühne wollen sie es nun aber - zumindest als Band - doch endgültig tun. Dieter „Maschine“ Birr, Dieter „Quaster“ Hertrampf, Peter „Eingehängt“ Meyer, Klaus Scharfschwerdt und Peter „Bimbo“ Rasym sind auf Abschiedstournee. Und die Fans strömen bei bestem Konzertwetter - die letzten Wolken verziehen sich pünktlich über dem Himmel von Halle - auf die Peißnitz. Rund 4000 Zuschauer sind es nach Veranstalterangaben.
Es sind viele dabei, die mit den Deutschrock-Giganten alt geworden oder vielleicht auch eher jung geblieben sind. Längst kommt aber auch die Generation von Zaske. Und die nächste folgt: das zehnjährige Mädchen etwa, das mit den Puhdys aufwuchs. Für ihre Eltern haben die Ostrocker nach dem Umzug in den Westen „zur Überlebensstrategie gehört“. Ein Stück Heimat, auch ein Stück Jugend.
Saxofon-Einlage des „ältesten Puhdys der Welt“
Und sogar ein Stück Filmgeschichte. „Kann sich jemand noch an die Legende von Paul und Paula erinnern?“, fragt Puhdys-Frontmann Birr nach dem ersten Song. Reine Rhetorik. Natürlich ist der Defa-Klassiker, einer der erfolgreichsten in der DDR gedrehten Spielfilme, dem Publikum bekannt. Natürlich kann es den Filmsong „Geh zu ihr“ mitsingen. Es ist nicht das letzte Mal an diesem Abend, dass „Maschine“ Birr das Mikro herunternimmt.
Das Eis, so es denn überhaupt je vorhanden war, ist gebrochen. Der Puhdys-Frontmann fordert das Publikum auf mitzugehen - und es folgt. Bei alten Songs, auch bei den neuen, bei der Saxofon-Einlage des „ältesten Puhdys der Welt“ (Meyer) ebenso wie beim Schlagzeug-Solo von Scharfschwerdt. Birr witzelt, vorzugsweise über sich und die Band, die Menge johlt.
Auch wenn drei der Ostrocker die 70 inzwischen überschritten haben: Sie können es noch. Und das Publikum kann es auch. Gegen Ende des Abends singt es sich bei „Wenn ein Mensch lebt“, „Alt wie ein Baum“, „Rockerrente“, vor allem aber beim Eisbär-Song in der ersten von zwei Zugaben noch einmal richtig warm. Birr kann beruhigt zum Getränk greifen, die Textsicherheit der Menge lässt nichts zu wünschen übrig.
Allerletzter Abschied am 28. Dezember
Als nach zweieinviertel Stunden endgültig ein „bye bye, es ist Zeit zu geh’n“ durch die Lautsprecher tönt, dürften etliche Fans gedanklich widersprochen haben, nicht nur, was diesen Abend angeht. Wie schwer der Abschied von einer Ära der deutschen Musikgeschichte, fällt, zeigt auch ein Banner, das an diesem Abend auf der Peißnitz hängt. „Liebe Puhdys, vielen Dank für die Musik meines Lebens“, steht darauf groß. Hunderte haben drumherum ihre letzten Grüße hinterlassen. Etwa: „Wenn Träume sterben... Danke für die Zeit“.
Noch ist der Traum aber nicht ausgeträumt, auch für hallesche Fans gibt es einen letzten, allerletzten Abschied. Für den 28. Dezember ist noch ein Konzert im Steintor-Varieté geplant. Endgültig in die Rockerrente verabschiedet sich die Band mit Konzerten am 1. und 2. Januar in Berlin. Stephan Zaske aus Weißenfels will dort auf jeden Fall dabei sein. Es werden seine Konzerte Nummer 30 und 31. Dass er einst Großvaters Platten hörte, hat er nie bereut. „Ich bin meinem Opa bis heute dankbar.“ (mz)