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"Peanuts" der Film "Peanuts" der Film: Charlie Brown und Snoopy in 3D

Von Frank Olbert 22.12.2015, 17:58
Eng wie eh und je: Charlie Brown und Beagle Snoopy
Eng wie eh und je: Charlie Brown und Beagle Snoopy AP Lizenz

Die „Peanuts“-Welt hat einen entscheidenden Vorzug: Es gibt keine Erwachsenen darin. Fast keine. Allenfalls tauchen Mütter, Väter oder Lehrer als quäkende, quengelnde Stimmen auf, denen Charlie Brown und Co., freundlich, aber relativ desinteressiert zuhören. Ist das über die Bühne gebracht, sind sie Königinnen und Könige über ihr Kinderreich, zu dem natürlich auch zwingend der anarchische Hund Snoopy gehört. Daran ändert sich auch im neuen Kinofilm nichts.

Schöpfer der „Peanuts“-Welt ist der Zeichner Charles M. Schulz, der 1922 geboren wurde und vor seinem Tod im Jahr 2000 verfügte, dass seinen 17 897 Comics kein einziger hinzugefügt werden dürfe – ein ähnliches Testament verfügte hat Hergé für „Tim und Struppi“. Auch wenn sich Schulz’ Erben nicht ganz an den letzten Wunsch des Ahnen hielten, so blieb seinem Kosmos doch eine ganz spezielle, schön altmodische Farbe erhalten. „Peanuts“, das war die (amerikanische) Vorstadt schlechthin, mit der sich auch deutsche Nachkriegskinder gut identifizieren konnten.

Sie durften Charlie Brown, Lucy, Linus, Schroeder, Franklin und all die anderen auch in einer Fernsehserie erleben, und seit den späten 60er Jahren immer wieder im Kino. Der aktuelle Film ist bereits der fünfte. Inszeniert hat ihn Steve Martino, der nicht nur bei „Ice Age 4“, sondern auch bei „Horton hört ein Hu“ nach Dr. Seuss Regie geführt und damit bewiesen hat, dass er den Geist einer berühmten Vorlage einfangen kann.

Einzige Konzession an die modernen Zeiten ist bei „Peanuts – der Film“ die 3-D-Technik. Sie lässt die „Peanuts“-Welt fast schon ein wenig zu tief und vielgestaltig erscheinen, denn was hier geschieht, ist im besten Sinne so klar und einfach wie die Figuren, denen Schulz nur das Nötigste mitgab: Stupsnasen, Plappermäuler, eine Schmusedecke. Charlie Brown fehlen selbst die Haare, und Philosoph Linus ist ein Meister sprachlicher Verknappung, wie sich in seiner Hommage an die heimliche Hauptfigur der Reihe zeigt: „Von allen Charlie Browns der Welt bist du der Charlie Brownste!“

Wohl wahr, wie sich auch wieder im neuen Kinofilm zeigt. Hier erliegt Charlie den Reizen eines rothaarigen Mädchens, das neu in der Klasse ist und natürlich vollkommen unerreichbar – zumindest in der Vorstellungskraft eines kleinen, kahlköpfigen Jungen, der in so ziemlich jedes Fettnäpfchen tappt, das sich ihm in den Weg stellt.

Charlie Brown ist der ewige Pechvogel, der notorische Verlierer, der lebensuntüchtige Grübler: Wäre Woody Allen eine Comicfigur und spielten seine Geschichten im Mittleren Westen in einer problematischen Kindheit voller missglückter Versuche, einen Drachen steigen zu lassen – er sähe vermutlich aus wie Charlie Brown. Wenn die Welt diesen Unglücksraben einmal bewundert und sogar verehrt, dann kann diese erstaunliche Ekstase nur das Resultat eines Missverständnisses sein.
Das ist auch der Fall im neuen Kinofilm, in dem die Lehrerin zwei Schultests verwechselt und auf diese Weise Charlie Brown mit einem Schlag als Genie dasteht.

Geschickt und mit spürbarer Liebe zum Original gruppieren Martino und seine Mitstreiter um diese Geschichte lauter Fragmente aus diversen Abenteuern herum, die sich – wen wundert's? – Zug um Zug zum geschätzten „Peanuts“-Weltbild fügen.
Dieses gründet wesentlich in den psychologischen Therapieversuchen der vorlauten Lucy, die sich durch Charlies unerwartete Erfolgssträhne strahlend bestätigt sieht. Ebenso essenziell – im Wortsinn – sind allerdings die Kapriolen, mit denen der Hund Snoopy für eine veritable Parallelhandlung sorgt: Rittlings auf seiner Hundehütte thronend, macht er sich selbstständig und besteht Luftduelle mit einem Meisterflieger namens Roter Baron.

So muss sich ein jeder, ob Mensch oder Beagle, beweisen in diesem Mittleren Westen, der überall sein könnte. Ja, mit seiner Winterkulisse und ausgiebigen Schneeballschlachten wird er zur Ideallandschaft unserer Kindheit, in der auch Gehässigkeiten nie so schlimm ausarten, als dass man nicht wieder Freundschaft schließen könnte.

Und auch Trugbilder wie Charlie Browns intellektuelles Überfliegertum kann man natürlich nicht auf sich beruhen lassen – bei den „Peanuts“ wird alles geerdet, alles zurechtgerückt, alles in die Moralvorstellung einer redlichen Mittelklasse eingepasst: Es wird nicht gelogen, und keiner wird ausgeschlossen. Ist das nicht langweilig? Mag sein. Aber es ist menschenfreundlich.

Achtung, Spoiler!

Am Drehbuch zum neuen Film haben neben Cornelius Uliano der Sohn und der Enkel des „Peanuts“-Urvaters Charles Schulz, Craig und Brian, mitgewirkt. Charlie Brown wird damit zum Generationen übergreifenden Universalprojekt. Am Ende gewinnt er nicht nur die Aufmerksamkeit des kleinen rothaarigen Mädchens – und zwar als ehrliche Haut. Auch wenn Erwachsene in dieser Welt nicht vorkommen – welche Mutter und welcher Vater würde abstreiten, dass dieser kahlköpfige Pechvogel damit auch an der Schwelle zum Jahr 2016 ein gutes Vorbild ist? Charlie Brown lebt.

Meister der fliegenden Hundehütten: Snoopy
Meister der fliegenden Hundehütten: Snoopy
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"Peanuts" ist eine menschenfreundliche Kinderwelt, in der nicht gelogen wird.
"Peanuts" ist eine menschenfreundliche Kinderwelt, in der nicht gelogen wird.
dpa Lizenz