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Paul Schultze-Naumburg Paul Schultze-Naumburg: Schönes Haus, tiefe Abgründe

Von Günter Kowa 18.04.2007, 15:27

Saaleck/MZ. - Stiftungsvorsitzender Bernd D. Romswinkel sieht sich einen Schritt weiter auf dem Weg zu einer dauerhaften, mit Schultze-Naumburg verknüpften Kulturstätte am einstigen Wohnsitz des Architekten, Lebensreformers und NS-Rasseideologen.

Nun mag die Tafelausstellung, die im sogenannten Architektenhaus in einem Eckzimmer mit Aussicht auf den Saalebogen eingerichtet ist, ein Fortschritt aus der Sicht der Stiftung sein. Denn ihr Wirken war umstritten, und die Kritik richtete sich unter anderem gegen die Präsentation von Schultze-Naumburgs Leben und Werk (1869-1949). Mit ihren wirr angeordneten, auf Pappe unbeholfen aufgezogenen Fotokopien von Fotos und Zeitungsartikeln machte sie einen dilettantisch verzettelten Eindruck.

Abgründige Problematik

Damals verfügte die Stiftung noch über das Haupthaus und das Grundstück. Dieses ist inzwischen von der Stadt Bad Kösen an eine Bietergemeinschaft versteigert worden, die das Haus leer stehen, das Gelände immerhin pflegen lässt. Der Rückzug der Stiftung auf ein Nebengebäude steht, wie Romswinkel beklagt, einer kulturellen Belebung der Stätte entgegen.

Allerdings war diese in der Vergangenheit nie von einem konsensfähigen Konzept getragen gewesen, trotz erstaunlich freigiebiger Fördergelder vom Land sowie Institutionen und Privatleuten. Denn was sich in der Ausstellung andeutete, durchzog auch das Programm aus Konzerten, Vorträgen und vor allem Kunstseminaren für Waldorfschüler und Gymnasiasten: Die zutiefst abgründige Problematik der Gestalt Schultze-Naumburg rückte zusehends in den Hintergrund.

Diesem Eindruck sollten zwar die Vorträge ausgewiesener Wissenschaftler entgegenwirken, aber an der grotesk verharmlosenden Ausstellung und dem seltsam ehrerbietigen Kulturbetrieb änderte das nichts. Immerhin wurde ein wissenschaftlicher Beirat gegründet. Dieser hat nach Rücktritten und Verzögerungen für die neue Ausstellung fast zwei Jahre gebraucht. Aus Romswinkels Sicht tut sie der Aufarbeitung von Schultze-Naumburgs Leben nunmehr Genüge.

Wirklich? Wenn es so wäre, müsste sie Schultze-Naumburgs zwei ungefähr gleichlange Phasen seiner Karriere spiegeln. Das wäre zum einen der Erbauer von Gutshäusern in klassizistischem Stil und Vorkämpfer einer Kultur- und Lebensreform, der in den "Saalecker Werkstätten" das Handwerk zur alten Größe zurückführen will.

Geistiger Vorbote

Zum anderen aber sammelt er ab den 20er Jahren fanatische NS-Rasseideologen um sich, etwa den "Blut und Boden"-Autor Walther Darré und "Rasse-Papst" Hans F. K. Günther. In diesem Kreis entsteht 1928 Schultze-Naumburgs Schriftstück "Kunst und Rasse", der geistige Vorbote der Aktion "Entartete Kunst". Er wird Direktor der Weimarer Hochschule, lässt Oskar Schlemmers Wandgemälde der Bauhaus-Zeit vernichten, "säubert" das Schlossmuseum von "entarteter Kunst" und betreibt die Schließung des Dessauer Bauhauses.

Abgesehen davon, dass dieser letztere Umstand erneut verschwiegen wird, erfährt man diese Tatsachen des "problematischen" Schultze-Naumburg zwar auf vier der Tafeln. Die übrigen sieben aber gelten dem "bedeutenden" Teil seines Lebens. Eine ähnlich ungleiche Gewichtung findet man auch in der Biografie Schultze-Naumburgs von Norbert Borrmann, erschienen 1989.

Der Autor, zugleich Vorsitzender des Beirats, betrachtet seinen Gegenstand nicht unkritisch, aber doch mit spürbarer Sympathie. Die 80er Jahre sind der Aufstieg der "Grünen" und Schultze-Naumburg, der Warner vor der Landschaftszerstörung durch die Industrie, erscheint fast als ein Vorläufer. Was er baut, ist nicht neu, aber "zeitlos". Der Rest sind dann "Verirrungen".

Was bei Borrmann, erst recht in Saaleck zu kurz kommt, ist die Analyse. Welche gesellschaftliche Sicht spiegelt die Architektur? Ist Schultze-Naumburgs NS-Ideologie schon in seinem Konservatismus angelegt? Oder seiner Ablehnung der Moderne von Anfang an?

Sichtlich will die Stiftung mit der Ausstellung unangenehme Debatten beenden. Romswinkel jedenfalls spricht immer noch von der Kulturstätte Saaleck, von Gästezimmern, Konzerten und Vorträgen. Der Zustand der Räume lässt auf weiter reichlich Förderbedarf schließen. Ob ein angemessener Umgang mit Saaleck unter dieser Ägide aber je zu erreichen ist, muss ernsthaft bezweifelt werden.

Auf Anfrage geöffnet: Telefon 03 44 63 / 2 65 94.