Paul Raabe Paul Raabe: Der Retter der Franckeschen Stiftungen wird 80
Halle/Wolfenbüttel/dpa. - Seine Liebe zu Büchern von Kindesbeinen an hat Paul Raabe später zu seinem Beruf gemacht: Aus Anlass seines 80. Geburtstages erzählt der ehemalige Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Franckeschen Stiftungen in Halle inseinem neuen Buch Stationen seines Lebens. Unter dem Titel «Frühe Bücherjahre. Erinnerungen» (Arche Literatur Verlag, Zürich-Hamburg) beschreibt er auf rund 240 Seiten verschiedene Stationen seiner Kindheit und Jugend in Oldenburg und Hamburg zwischen 1927 bis 1957. «Dieses Buch ist mein persönlichstes», sagt Raabe, der am 21. Februar 1927 als Sohn eines Bildhauers in Oldenburg geboren wurde.
Raabe ist heute einer der bekanntesten Bibliothekare Deutschlands. Mit festlichen Veranstaltungen in Wolfenbüttel, Oldenburg und Halle sowie Ausstellungen und einer Lesung wird das Lebenswerk Raabes in der Zeit vom 21. bis 25. Februar gewürdigt. Raabe ist Ehrenbürger von Wolfenbüttel und Halle und unter anderem mit dem Deutschen Stifterpreis ausgezeichnet worden.
«Ich gestehe, dass ich kein anderes Hobby habe als die Bücher unddie Arbeit mit ihnen», sagt Raabe. Der kämpferische Wissenschaftlersetzt sich zudem besonders für die Aufnahme der Kultur als Staatszielin das Grundgesetz ein. Raabe lebt seit 1968 in Wolfenbüttel,zwischen 1992 und 2000 pendelte er nach Halle. «Ohne den großenEinsatz von Professor Raabe wären die Franckeschen Stiftungen nichtzu dem lebendigen Bildungskosmos geworden, wie sie es heute sind»,sagt der heutige Direktor der Stiftungen, Thomas Müller-Bahlke.
Nach seinem Studium in Hamburg leitete der promovierte jungeWissenschaftler Raabe zehn Jahre lang die Bibliothek des DeutschenLiteraturarchivs in Marbach am Neckar (Baden-Württemberg). InNiedersachsen baute er die international bekannte Herzog AugustBibliothek in Wolfenbüttel, deren Direktor er von 1968 bis 1992 war,zu einer internationalen Forschungsstätte für das Mittelalter und diefrühe Neuzeit aus. «Jeder Besuch der Bibliothek ist mit großer Freudeverbunden, denn die Gegenwart der alten Bücher an den Wänden der viermusealen Räume überwältigt mich noch heute immer von neuem»,beschreibt Raabe seine Gefühle.
Nach dem Fall der Mauer zog es den unruhigen Pensionär in denOsten Deutschlands, wo er als Retter der Franckeschen Stiftungen inHalle in die Geschichte einging. Schon zu Zeiten der Teilung galtRaabe als hervorragender Kenner historisch bedeutsamer Stätten derdamaligen DDR. Er forschte in Weimar und kannte die Stiftungen inHalle, die damals Teil der Universität und völlig verfallen waren.Mit Hartnäckigkeit, Verbindungen und Charme sorgte Raabe dafür, dassdie Franckeschen Stiftungen ihre Eigenständigkeit nach 40 Jahrenzurückbekamen.
In dem in Deutschland einmaligen Fachwerkensemble mit mehr als 50Gebäuden begann unter der Regie von Raabe, der bis 2000 acht Jahrelang deren Direktor war, schrittweise der Wiederaufbau. Heute hatsich hier wieder im Geist der Tradition ihres Gründers, des Theologenund Pietisten August Hermann Francke, eine moderne Schulstadt mithistorischer Bibliothek und Forschungsstätten etabliert. Auch dieBundeskulturstiftung hat auf dem 16 Hektar großen Gelände ihren Sitz.Raabe ist heute ebenso wie der in Halle geborene Ex-AußenministerHans-Dietrich Genscher (FDP) Ehrenvorsitzender des Kuratoriums derFranckeschen Stiftungen.