Ostdeutschland Ostdeutschland: Reisende lassen sich vor dem «Nischel» ablichten

Dresden/dpa. - Auch 17 Jahre nach der Wende ist das Karl-Marx-Monument in Chemnitz das beliebteste Fotomotiv der Touristen. Waskonservativen Politikern gespenstisch erscheinen mag, sehenHamburger, Italiener oder Schweden entspannt: Reisende lassen sich amliebsten vor dem «Nischel» ablichten, wie die weltgrößte Porträtbüsteim Volksmund heißt. Die DDR hatte 1990 nach 41 Jahren ausgedient -viele ihrer Denkmäler dürften dieses Alter überleben und stehenfester als zur Wende auf dem Sockel.
Dass sich das Interesse an den ideologischen Zeitzeugenzementiert, kommt nicht überraschend. Der hektische Abriss einigerDenkmäler kurz nach der Wende hat bei manch gelerntem DDR-Bürger zueiner Art Solidarisierung geführt. Für andere schienen dieAbrisskosten in keinem Verhältnis zur «Bedrohung» durch steinerneoder bronzene Arbeiterführer zu stehen. Inzwischen halten auch dieDenkmalschutzbehörden ihre Hand über einige Monumente.
«Es wird nicht mehr prinzipiell abgelehnt, sondern kritischerhinterfragt», sagt der Dresdner Stadtsprecher Karl Schuricht. DasLandesamt für Denkmalpflege macht das wachsende Interesse amGenerationenwechsel fest. «Wer die Zeit persönlich miterlebt hat,bringt Positives und Negatives in die Betrachtung ein. Diejenigen,die keine Erinnerung daran haben, gehen unbefangener damit um»,glaubt Abteilungsleiter Hartmut Ritschel.
Schuricht verweist auf eine Altlast, die junge Dresdner nicht mehrkennen: Das Lenindenkmal auf der Prager Straße wurde 1991 aus derElbestadt verbannt. Der «Rote Bahnhofsvorsteher» - so nannten dieDresdner ihren Lenin - landete bei einer Firma in der Nähe von Ulm.Für den Abtransport hatte sich der Stadtrat stark gemacht. «DieDiskussion um das Lenindenkmal wäre heute mit Sicherheit nicht soeindeutig im Ergebnis», meint Schuricht.
Die Dresdner gingen damals gründlich zur Sache und folgten demRatschlag einer «Kommission für den Umgang mit den bildkünstlerischenZeitzeugen des SED-Regimes». Von 105 «ideologisch geprägten Objekten»sollten 34 am ursprünglichen Ort bleiben. Dazu gehörte ein Monumentzum Vereinigungsparteitag von KPD und SPD (1946) am Kurhaus Dresden-Bühlau. Die dreieinhalb Meter hohe Granitstele wurde später jedochvon Baufahrzeugen zerstört, angeblich versehentlich.
Zwickau ist da wachsam. «Schmierereien werden meist umgehend vonaufmerksamen Bürgern angezeigt. Es gibt noch genügend Menschen, diemental mit dem antifaschistischen Widerstand, den Anfängen derSozialdemokratie und auch dem "ehrlichen Kommunismus" verbundensind», sagt Stadtsprecher Claus Walther. Hier erinnern nochEhrenhaine für gefallen Soldaten und ein Denkmal für die Verfolgtendes Nazi-Regimes an die dunkle Zeit vor Gründung der DDR.
Hoyerswerda hat nicht durchweg positive Erfahrungen mit den DDR-Monumenten gemacht. «Es gibt keine Achtung mehr vor ihnen», sagtStadtplaner Michael Köllner und verweist auf eine Büste vom erstenDDR-Präsidenten Wilhelm Pieck. Sie musste regelmäßig von Farbebefreit werden. Einen ideologischen Hintergrund für die Schmierereiensieht Köllner nicht. Die Sprayer habe wohl eher der Stein an sichinteressiert. Inzwischen ist die Büste kaputt und eingelagert.
In Dresden hat die Verwaltung auf Bitten von Einwohnern undTouristen ein lange Zeit verhülltes Relikt wieder sichtbar gemacht -das Wandbild «Weg der Roten Fahne» am Kulturpalast. Ein dichtesgrünes Netz hatte Passanten auf der Schlossstraße vor dem Bildgeschützt. Nach offizieller Lesart drohten Platten des Kunstwerkesabzufallen. Inzwischen macht ein transparentes schwarzes Tuch dennoch immer siegreichen Weg der roten Fahne wieder erkennbar.