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Ost-West-Forum auf Gut Gödelitz Ost-West-Forum auf Gut Gödelitz: Mildes Abendlicht hinter Sachsens sanften Hügeln

Von Andreas Montag 20.09.2004, 17:41

Gödelitz/MZ. - Mild bläut schon dasAbendlicht herauf, dicht gedrängt hockt dasgeputzte Volk auf Stühlen und Bänken. Preußischpünktlich, zwei Minuten vor sechs, bahnensich Christa und Gerhard Wolf ihren Weg zumPodium in Gödelitz. Literatur in zwei Gesellschaftssystemen,heißt das Thema am Samstag. Nicht direkt neu,doch angesichts der Zeugen nicht ohne Reiz.

Das Landgut, zwischen Döbeln und Nossen lieblichin Sachsens sanfte Hügel gebettet, ist einnobler Ort der Bildung und Kultur. Nach derWende von den alten Eigentümern aus Treuhandbesitzzurück erworben, beherbergt es heute das Ost-West-Forum -einen Verein, der sich dem deutsch-deutschenVerstehen verpflichtet fühlt. Zum Verstehengehören Wissen wie Wissbegierde, man wirdins Offene gehen müssen und etwas preisgebenvon sich selbst. Das macht ja den Charme einersolchen, quasi privaten Runde aus - und wirdhier, je länger der Abend dauert (zweieinhalbStunden sind es am Ende) zunehmend vermisst.Woran liegt das, was macht die Runde nett,aber seltsam aseptisch und deshalb auch streckenweiselangweilig? Es ist die denkmalhafte Aura,mit der die viel gerühmte Autorin sich selberumgibt: sehr gelassen, souverän, manchmalauch einigermaßen banal. Zum Beispiel, alssie daran erinnert, dass es zwar keine Zensurmehr gibt, Verlage nun aber nur drucken, wennsie sich einen Gewinn davon versprechen.

"Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dassich mich rechtfertigen sollte. Ich denke überhauptnicht daran", formuliert die 75-Jährige brüskgegen den Hauch des Verdachts, sie hätte eineStaatsdichterin gewesen sein können. Ein Missverständnis,das sich aus alten kulturpolitischen Schlachtenerklären - aber wohl (was tragisch ist) nichtmehr aufklären lassen wird.

Niemand erwartet von Christa Wolf, dasssie sich rechtfertigt. Schon gar nicht hier,in Gödelitz, wohin freundliche Sachsen ausLiebe zu ihren Büchern gepilgert sind. Aberein bisschen mehr Reflektieren über die Wirklichkeit(en)der DDR, auch über jene außerhalb der eigenenBetroffenheit, wäre schon spannend gewesen.Doch oft geht es obenhin: Der Kontakt zu denWeggegangenen (wie Sarah Kirsch) habe sichnicht wieder gefügt. Und von Briefen ist dieRede, wenn "wieder mal einer aus dem Kittchengeholt" werden musste.

Ein hübsches Wort. Anekdoten gibt es auch,über Ulbricht etwa, der den sozialistischen"Faust" wollte. "Red ihm das aus", bat sieFrau Lotte. Die ambivalente Nähe der Autorenzur Macht - Christa Wolf berührt den Punktdoch. Oft sagt sie Wir. Damit meint sie ihrengleichaltrigen Mann Gerhard und sich selbst.Zukunft sieht sie eher skeptisch. Und dannist es auch Nacht.