Oper Leipzig Oper Leipzig: Spiralnebel an Mozarts Himmel
Leipzig/MZ. - Der Sieg der Vernunft gebiert Ungeheuer: Nachdem Tamino und Pamina in Feuer und Wasser geläutert wurden, nachdem die sternflammende Königin dem weisen Sarastro unterlegen ist und auch Papageno sein Weibchen gefunden hat, nimmt das neue Tyrannenpaar die Parade seines uniformierten Volkes ab. Die Zauberflöte als Marschallsstab, die Aufklärung als Gehirnwäsche?
In Ralf Nürnbergers Mozart-Inszenierung an der Oper Leipzig liegt wohlfeile Kritik am Werk näher als der schwere Mut zur Utopie. Dabei ist von vornherein klar, wohin die Reise gehen soll: Bühnenbildner Yadegar Asisi, der vor Ort derzeit auch mit seinem Mount-Everest-Panorama Furore macht, projiziert auf den Vorhang nicht nur die Zahl 1791. Zwischen einem Wald, der tief in der Kunstgeschichte wurzelt, und einem heiligen Observatorium, das an Science-Fiction-Filme erinnert, platziert er zudem eine zweite kulturhistorische Ikone aus dem Jahr der Uraufführung. Die Guillotine ist der Ort, an dem Tamino das Schweigen lernt - und Papageno sein Leben beenden will.
Kurioserweise aber garniert Nürnberger dieses Panoptikum mit schalen Operetten-Scherzen, die finale Buh-Rufe viel eher verdienen als das große Ganze. Warum müssen die Sklaven schwul sein, wieso muss der Vogelhändler krachlederne Tänze aufführen und seinen Fang in Mülleimern transportieren? Vielleicht, um den Zuschauer davon abzulenken, dass sich die in der Ouvertüre geöffnete Klammer am Ende nicht mehr schließen lässt. Anfangs nämlich erschien Tamino als Mozart, der sich seine Geschichte träumte - und dabei Besuch von den Freimaurern erhielt.
Stanley Jackson singt ihn so, wie ihn sich die Regie denkt: eigenwillig, undiszipliniert in den Tempi, als schemenhafte Skizze. Mit den übrigen Solisten hat Stefan Blunier am Pult des Gewandhausorchesters weniger Mühe. Anna-Kristiina Kaapolas Königin der Nacht ist reiner Wohllaut, ihr Widerpart James Moellenhoff hat in den Tiefen auch Seele. Eun Yee You aber findet in Pamina die brüchigste, menschlichste Partie - was sich nicht nur im einzigen Liebesduett der Oper zeigt, das sie mit Milko Milevs Papageno an die Rampe trägt. Dass solide musiziert wird, versteht sich. Wird aber das Licht der Aufklärung zum Spiralnebel verwirbelt, ist man nicht unbedingt klüger als in Schinkels Sternendom. Nur wesentlich desillusionierter.
Nächste Vorstellung: 13. Oktober, 19.30 Uhr