Oper Halle Oper Halle: Romelia Lichtenstein als geschätzte Künstlerin in Giacomo Puccinis "Tosca"

Halle (Saale) - Bei Giacomo Puccinis „Tosca“ hat es die Rezeptionsgeschichte seit der Uraufführung 1900 mit dem naturalistischen Ehrgeiz besonders weit getrieben. Da flog schon manche Puppe beim Schließen des Vorhangs in die Tiefe. Darauf wartet man in Halle, bei der Neuproduktion dieses ungebrochen beliebten Repertoireschmuckstückes, vergebens.
Regisseur Jochen Biganzoli beschränkt sich nicht auf die Guckkastenbühne, bei ihm muss sogar der Intendant mitspielen. Es fängt nämlich schon im Foyer mit dem Einzug der Diva an. In Halle ist das ohne Frage Romelia Lichtenstein. Sie kommt über den roten Teppich und der Intendant sagt, dass ein Haus wie Halle stolz sein kann, eine solche, von ihrem Publikum geliebte Künstlerin im Ensemble zu haben. Dass man für sie die Tosca ins Programm genommen habe.
Puccinis „Tosca“: Biganzoli, Wolf Gutjahr (Bühne) und Katharina Weissenborn (Kostüme) wollen zum Kern des Stückes
Biganzoli, Wolf Gutjahr (Bühne) und Katharina Weissenborn (Kostüme) wollen offensichtlich an den Kern des Stückes heran. Fast ohne den politischen Bogen, den Puccini über der tragischen Liebesgeschichte zwischen der Diva und dem aufstrebenden Maler aufspannt, gibt es keine weitere Folge aus der Serie „Wahre Liebe in schlimmen Zeiten“.
Dass die Bühne von den drei leuchtenden Lettern, die das Wort ART formen, beherrscht wird, macht sie zu einer (wenn auch spartanischen) Kirche der Kunst, in der gemalt, musiziert und gesungen wird. Ein Konzertflügel, Farbeimer und Leinwänden reichen. Mit einer kleinen Insel des Privaten, auf der sich Tosca zu ihrem Mario auch mal ganz privat aufs Sofa setzt, den Fernseher einschaltet und die Chips-Tüte öffnet.
Sicher bleibt Scarpia auch im Frack der skrupellose Machtmensch, sicher gibt es ein Köfferchen mit Folterinstrumenten, auch wenn sich der große Künstler als käuflich erweist. Den Preis für rückhaltlose Liebe zahlt wieder mal die Frau. Als solche verliert sie den (jüngeren) Liebhaber, als Künstlerin verliert sie ihre Bühne.
Die Männer spielen ein abgekartetes Spiel mit ihr. Und der von Peter Schedding präzise einstudierte Kinder- und Jugendchor marschiert mit Fotos unzähliger Idole des vorigen Jahrhunderts auf. Sänger, Maler, Schauspieler, Stars und Sternchen - alles da. Auch Romelia. Auf dieser Bühne wird nicht das körperliche Foltern oder das physische Sterben vorgeführt.
Hier reicht ein Eimer Theaterblut und die Imagination des Unterganges. Hier ist es ein junges Mädchen, das (während es die Partie des Hirten singt) in die viel zu großen Schuhe der Tosca schlüpft und zur ihrer personifizierten Vision des eigenen Untergangs wird. Auf einen Wink dieser künftigen Diva hin heben die drei Buchstaben Richtung Schnürboden ab.
Ergreifendes Schlussbild mit Josep Caballé-Domenech und der Staatskapelle
Romelia kann den Bühnenarbeitern gerade noch einen Pappkarton mit Utensilien entreißen, um sich bei ihrer Flucht in den Wahnsinn wenigstens als Braut und Bräutigam zu kostümieren. Doch sie bleibt allein auf leerer Bühne zurück - ein ergreifendes Schlussbild einer starken Inszenierung. „Ich bin Romelia und singe Tosca“ schreibt die Vereinsamte am Ende an den Flügel. Stimmt. Und wie!
Von Josep Caballé-Domenech und der Staatskapelle auf Händen getragen. Diese Tosca hat mit Eduardo Aladrén einen imponierend strahlenden Cavaradossi an ihrer Seite, Peter Felix Bauer holt seinen Scarpia ins Licht eines Machtmenschen von heute. Am Ende viel Beifall, für alle Beteiligten.
Nächste Vorstellungen am Freitag sowie am 7. und 17. Dezember, jeweils 19.30 Uhr
(mz)