Olaf Wegewitz Olaf Wegewitz: Fährtenlese auf der Seele der Pflanzen
Jena/MZ. - Über die Bedeutung des Rufes für die Berufung gibt sein Werk zwar keine Auskunft, als sprachmächtiger Künstler aber dürfte Olaf Wegewitz dem Klang des eigenen Nachnamens durchaus sinnstiftende Kraft beimessen. In der heimatlichen Landschaft, die den forschenden Gestalter immer wieder in Verhältnis zu seiner natürlichen Umwelt setzt, muss dabei jede modische Verfärbung vom ursprünglichen Sinn der Silben abfallen. "Wegewitz" heißt man in Neinstedt am Huy, wenn man die Spuren der Schöpfung zu deuten weiß.
Auch in seiner jüngsten Ausstellung erweist sich Sachsen-Anhalts Landeskunstpreisträger von 1998 als Fährtenleser. "Nanna Pflanzenseele" nennt er die nach mehreren Stationen im Jenaer Stadtmuseum eingekehrte Schau, die den ganzheitlichen Ansatz auf einen geistigen Ahnherrn zurückführt.
Der Physiker und Philosoph Gustav Theodor Fechner (1801-1887), der die spirituelle Begabung der Gewächse bereits 1848 aus der Freiheit ihres Wuchses und aus ihrer Wendung zum Licht herleiten wollte, liefert Wegewitz den Ansatz für eigene Installationen und Bilder. Und wie bereits bei seiner vor fünf Jahren in Altenburg gezeigten Annäherung an den Sprachforscher Hans Conon von der Gabelentz verharrt der Künstler nicht in der Illustration, sondern sucht sich einen Zugang zum 19. Jahrhundert aus dem Geist der eigenen Zeit.
Die freilich ist auch von den Platitüden der Gegenwart weit entfernt: Olaf Wegewitz schöpft Papiere aus Pflanzenfasern und baut Schreine aus rohen Holzscheiten, er bindet Bücher mit Grashalmen und fixiert mystische Anrufungen mit feuchter Tinte in Spiegelschrift. Die Auseinandersetzung mit Blättern und Blüten führt den Künstler, der ein Werk über seine "Lappländische Reise" einst "Den Pionierpflanzen des Nordens" widmete, zu äußerster Reduktion. Physiologische Reaktionen werden nunmehr wie Beweise für bewusstes Dasein gedeutet, Fraßgänge von Insektenlarven oder die Verästelungen eines Stängels erscheinen als Lebenslinien.
Diese eigensinnigen Arbeiten sind alles andere als gefällig - und fordern vom Betrachter trotz ihrer spröden Erscheinung ein hohes Maß an Einfühlung. Belohnt wird die Geduld durch stille Einsichten, die Wegewitz einmal mehr als leisen und legitimen Wiedergänger des von Marktschreiern ohne Gegenwehr entwerteten Schamanen Beuys kennzeichnen. In seiner Installation "Im Nonnengarten" findet sich nicht nur die kongeniale Fortschreibung eines Gedichtes von Walther von der Vogelweide, sondern auch eine Folge von zartesten Zeugnissen seiner Naturkunde: Auf sogenanntem Wespenpapier, aus dem die Insekten ihre Nester bauen, hat Wegewitz Pflanzenschatten nachgezeichnet. Eine demütigere Geste des Künstlers im Angesicht des Universums scheint kaum denkbar, zumal das lebensspendende Licht in seiner Abwesenheit erfahrbar gemacht wird.
Diese ehrfürchtige Neugier auf das Unsichtbare weckt auch das Herbarium des Olaf Wegewitz, das der Dokumentation der heimischen Pflanzenwelt stets Kommentare in Form von Übermalung oder Nachzeichnung beifügt. Eine Wendung vom Kleinsten zum Größten schließlich bietet sein Projekt "Respektiertes Areal", das für die hallesche Kunst-Ausstellung "Landschaft(en)" im vergangenen Jahr begonnen wurde. Hier rekonstruiert Olaf Wegewitz die nach ihrem Fundort benannte und 1943 vernichtete "Ebstorfer Weltkarte", die den Kosmos des Mittelalters exemplarisch abbildete. In einem zweiten Schritt aber kontert er sie mit seinem versöhnten Ideal von Mensch und Natur - und entwickelt aus den Irrtümern der Vergangenheit eine Utopie für die Zukunft.
Ausstellung bis zum 22. Februar, Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr; Katalog 10 Euro