1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. NSDAP-Mitgliedschaft: NSDAP-Mitgliedschaft: Walter Jens gerät weiter unter Druck

NSDAP-Mitgliedschaft NSDAP-Mitgliedschaft: Walter Jens gerät weiter unter Druck

06.12.2003, 18:15

München/Hamburg/Tübingen/dpa. - Er räumteein, «dass ich lange Jahre angepasst gesprochen habe, wie zumBeispiel in meinem Abituraufsatz, den ich nicht mehr gern lesenmöchte». Auch habe er Worte wie «entartete Literatur» gebraucht. Dem«Spiegel» liegen nach eigenen Angaben zwei Karten der NSDAP-Mitgliederkartei vor, in der Jens unter Nummer 9265911 erscheint.

Die Mitgliederkartei trage den Vermerk, dass der damalige Studentim Frühjahr 1943 von Hamburg nach Freiburg umzog. «SolcheÄnderungsmeldungen kamen aber nur durch persönliche Abmeldung desParteigenossen zu Stande», sagte der Historiker Michael Buddrus vomMünchner Institut für Zeitgeschichte dem Magazin. Jens erklärte der«SZ»: «Ich glaube nicht, dass sich die Wahrheit auf Karteikartenfindet.»

Nach Angaben von Buddrus konnten sich NSDAP-Mitglieder nur miteinem Abmeldeschein bei einer neuen Ortsgruppe anmelden. AutomatischeUmmeldungen, etwa durch die Einwohnerbehörden, habe es nicht gegeben.Daher müsse Jens zumindest 1943 von seiner Parteimitgliedschaftgewusst haben. Jens selbst teilte dazu am Samstag auf dpa-Anfragemit: «Nach bestem Wissen und Gewissen kann ich mich nicht daranerinnern, mich dort jemals an- oder abgemeldet zu haben.» Er sei aberinteressiert an einer Fotokopie der Unterlagen.

Buddrus, der mehr als 18 000 Partei-Mitgliedskarten ausgewertethat, hält es für ausgeschlossen, dass Jens durch eine Sammelliste derHitlerjugend (HJ) unwissentlich Mitglied der Partei wurde: «DasHöchstalter für männliche Jugendliche in der HJ war 18 Jahre; Jenshatte aber seine Aufnahme im Sommer 1942 beantragt, als er schon 19Jahre alt war und der HJ gar nicht mehr angehören konnte.»

Laut «Internationalem Germanistenlexikon 1800-1950» (Verlag deGruyter, Berlin) war Jens am 1. September 1942 in die NSDAPaufgenommen worden. Der heute 80-jährige Ehrenpräsident der Akademieder Künste beteuerte in den vergangenen Wochen mehrmals, nichts voneiner Parteimitgliedschaft gewusst zu haben. Es sei höchstensdenkbar, dass er als Mitglied der Hitler-Jugend automatischaufgenommen worden sei. Es sei fahrlässig, dass sich der Herausgeberdes «Germanistenlexikons», Christoph König, auf ein einzigesGutachten - das von Buddrus - stütze.