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Neues Museum in Berlin Neues Museum in Berlin: Streit um Nofretete geht weiter

Von Esteban Engel 21.05.2010, 07:57
Nofretete-Büste aus dem Ägyptischen Museum in Berlin. (FOTO: DPA)
Nofretete-Büste aus dem Ägyptischen Museum in Berlin. (FOTO: DPA) dpa

Berlin/dpa. - Eines muss man Zahi Hawass lassen: Der Chef derÄgyptischen Altertümerverwaltung hat ein gutes Zeitgespür: Als imvergangenen Oktober das Neue Museum in Berlin mit der Büste vonKönigin Nofretete wieder eröffnete, war Kairos Oberarchäologe zurStelle. Und pünktlich zur Reise von Außenminister Guido Westerwelle(FDP) nach Ägypten an diesem Wochenende forderte der medienerfahreneWissenschaftler erneut die Rückgabe der 3300 Jahre altenKalksteinbüste. Diesmal meint es Hawass angeblich ganz ernst.

«Wir diskutieren jetzt nicht mehr darüber, ob wir dies tun,sondern nur noch darüber, wie diese Forderung formuliert werdensoll», sagte der Generalsekretär der Archäologie-Behörde derNachrichtenagentur dpa in Kairo. Kulturstaatsminister Bernd Neumann(CDU) stellte sofort klar: «Die Büste der Nofretete bleibt inBerlin!» In der Bundesregierung erklärt man Hawass' neuen Vorstoßvor allem als Teil einer innerägyptischen Kontroverse.

Die Bundesregierung lässt an der Büste nicht rütteln. DasGlanzstück der ägyptischen Sammlung im Neuen Museum sei 1913 imRahmen einer Fundteilung rechtmäßig durch die DeutscheOrientgesellschaft und später durch den preußischen Staat erworbenworden. «Dies ist mit Dokumenten zweifelsfrei belegt. RechtsansprücheÄgyptens auf Rückgabe der Nofretete entbehren daher jeder Grundlage.»

Bis Freitag war in Berlin noch kein Ersuchen eingegangen. DochHawass wird nicht locker lassen. Der Mann, der sichgerne mit einem Indiana-Jones-Hut zeigt, ist in einer Missionunterwegs: Mindestens ein halbes Dutzend Kunstschätze zählt Hawass,mittlerweile zum stellvertretenden Kulturminister aufgestiegen, zumKernstück «ägyptischer Identität». Er will sie alle wieder an den Nilholen.

Dazu gehören der berühmte Rosetta-Stein aus dem British Museum inLondon, die rund 4500 Jahre alte Statue von Prinz Hemiunu im Roemer-und Pelizaeus-Museum Hildesheim, die ebenso alte Büste des PrinzenAnkhhaf aus Boston sowie die Staue von Ramses II ausTurin - und eben das blauschimmernde Haupt der Nofretete.

Im diesem Fall ist Hawass der Ansicht, dass Ludwig Borchardt,der die Büste der Gattin von Pharao Echnaton 1912 in Tell al-Amarnaausgegraben hatte, die Verantwortlichen in Kairo, damals diefranzösische Kolonialverwaltung, hinters Licht geführt hat. Derdeutsche Archäologe habe sicherstellen wollen, dass die vom BildhauerThutmosis geschaffene Büste nach Deutschland kommt. In Berlin wirddiese Täuschungsabsicht bestritten.

Nicht nur den Deutschen wird koloniales Gehabe undImperialismus im Umgang mit Altertümern vorgeworfen. Vor allemdie Briten werden mit den Folgen ihrer einst weltumspannendenExpansion konfrontiert. Ob aus Italien, Griechenland, Nigeria oderIrak - das British Museum steht an «Europas westlicher Front imglobalen Krieg um das Kulturerbe», schrieb jüngst die «New YorkTimes».

Zum Paradestück hat sich der Streit um die Rückgabe dersogenannten «Elgin Marbles» ausgewachsen, jenes Schmucks aus derAkropolis in Athen, der seit zwei Jahrhunderten im Londoner Museumausgestellt wird. Wie Berlin im Fall Nofretete sieht sich auch Londonjuristisch im Recht.

Hinter dem Streit steht eine Auseinandersetzung um dieDefinition dessen, was Kultur im globalen Zeitalter bedeutet. Staatenwie Ägypten oder Griechenland nutzen Begriffe wie «nationales Erbe»oder «kulturelle Identität», um ihre Forderungen zu unterstreichen.Die großen Museen in Europa und den USA beharren darauf, dass diearchäologischen Funde in ihren Häusern in einem größerenErklärungskontext gezeigt und somit für die Besucher als Teil derWeltkultur erst verständlich werden.

Mit dem Satz «Griechenland den Griechen» hatten in den achtzigerJahren der damalige Ministerpräsident Andreas Papandreou die Rückgabeder «Elgin Marbles» begründet. Sein Sohn, der heutige RegierungschefGeorgios Papandreou, hat zurzeit andere Sorgen.