: Neuer Blick auf die Bildwelten in der DDR

Weimar/dpa. - „Abschied vom Ikarus“ - unter diesem Titel wagen die Klassik Stiftung Weimar und viele Partner einen neuen Blick auf die Bildwelten in der DDR. Anhand von 280 Gemälden, Grafiken, Skulpturen, Fotografien und Installationen von insgesamt 92 Leihgebern soll die Ausstellung DDR-Kunst von ihrem antifaschistischen Gründungsmythos bis zum Zerfall des Systems zeigen und neubewerten, sagte Wolfgang Holler, Generaldirektor der Museen der Stiftung, am Mittwoch im Neuen Museum.
Die Sagengestalt des Ikarus - hoffnungsvoll aufsteigend oder brennend abstürzend - stehe für den Widerspruch zwischen Utopie und Wirklichkeit in Gesellschaft und Persönlichem. Die vom Donnerstag bis zum 23. Februar 2013 gezeigte Schau versteht sich nach Angaben der Veranstalter auch als aktueller Beitrag des seit 1990 teils erbittert geführten deutsch-deutschen Bilderstreits zur Qualität und Aussagekraft ostdeutscher Kunst.
Weimar sei dafür besonders geeignet, sagte Holler: 1999, im Europäischen Kulturstadtjahr, hatte die Ausstellung „Aufstieg und Fall der Moderne“ im nahen Gauzentrum für heftigen Streit gesorgt. Künstler hängten eigenhändig ihre Bilder ab, die dicht an dicht auf grauen Planen hingen. Es wurde streng geteilt zwischen systemnaher Auftragskunst und Dissidentenkunst - Gefördertem und Verbotenem.
Im Endeffekt geht es wie auch in der Literatur darum, Kunst der DDR als wertvolles Erbe anzuerkennen - oder eben nicht. „Nach 1990 haben viele Westdeutsche in legitimierter Deutungshoheit über Ostdeutschland geschrieben - und viele Ostdeutsche haben im vorauseilenden Gehorsam fleißig mitgeschrieben“, sagte der Dresdner Prof. Paul Kaiser, einer der drei Kuratoren.
„Kunst steht nie jenseits der Gesellschaft“, sagte Holler dazu. So gab es nicht auf der einen Seite den Staatskünstler oder andererseits den völlig frei agierenden Künstler; jedoch viele Übergange innerhalb der „Künstlerfamilie“. Willi Sitte in den frühen 50er Jahren sei eher den Dissidenten zuzurechnen gewesen, bevor er später zum Staatsmaler wurde. Andere seien den umgekehrten Weg gegangen.
Sitte, Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer oder Hans-Hendrik Grimmling haben den Ikarus gemalt - als kosmischer Flugpionier oder abstürzend, verstümmelt, brennend und gefesselt. Auch Kassandra, Sisyphus, Prometheus, die Sirenen sind immer wiederkehrende Sujets bei Künstlern von Arno Rink über A.R. Penk bis Wieland Förster, Heidrun Hegewald und Angela Hampel.
Die Schau ist auch Ergebnis des vom Bundesforschungsministerium finanzierten Verbundprojekts „Bildatlas: Kunst der DDR“. In dreijähriger Forschung wurden mehr als 20 000 Werke von 1945 bis 1990 in 165 Museen, Sonderdepots, Firmen und Privatsammlungen - auch in Westdeutschland - gesichtet. Erfurt zeigt in diesem Kontext die Schau „Tischgespräch mit Luther - Christliche Bilder in einer atheistischen Welt“, Gera „Schaffens(t)räume. Atelierbilder und Künstlermythen.“
Wie und ob sich die DDR-Künstler später in den Kunstbetrieb des vereinigten Deutschland einbringen konnten, ist ein Thema weiterer Forschung.