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Nelly Furtado Nelly Furtado: Ein Wechselbad zwischen sanfter Härte und süßer Schärfe

Von Andreas Hillger 09.03.2007, 18:12

Leipzig/MZ. - Zwei Vorbands sind an diesem Abend des Frauentags nötig, um den 9 500 Fans in der Arena Leipzig die Spannbreite des Kommenden zu demonstrieren: Suzan Agbor serviert zunächst kehlig kraftvollen Soul-Pop, danach drückt Saukrates das Hallendach mit knallharten Geigen-Akkorden und Text-Stakkato nach oben. Und dann senkt sich via Video ein Helikopter vor dem üppigen Rüschenvorhang: Die Lady ist gelandet.

Dreimal wird sich Nelly Furtado an diesem langen Abend umziehen, auf schwarze Pluderhosen und glamouröses Abendkleid folgt die weiße Freizeitkleidung - und schließlich der knappe, blütenreine Rock. Die Frau in den wechselnden Kleidern aber bleibt sich gleich, weil sie sich immer wieder ändert: Sie ist die Songwriterin mit der Gitarre und die Frontfrau im Kreis ihrer Tänzer, die Anheizerin für die Stadion-Hymne und die verlassene Geliebte mit tränenerstickter Stimme.

Spätestens im dritten Titel erfährt man den Grund für diese Häutungen: "Dieses Leben", singt Nelly Furtado, "ist zu kurz, um es nur für dich zu leben". Dass dieses Lied ausgerechnet "Powerless" heißt, adressiert es an einen Fremden. Denn kraftlos wirkt Nelly Furtado selbst dann nicht, wenn sie in einer Atempause den Tee mit dem Strohhalm aus der Tasse saugt.

Wie leicht die Kanadierin vom Jahrgang 1978 ihre Fans um die Finger wickeln kann, zeigt sie beim Kontakt mit der ersten Reihe: Wenn sie sich nach der deutschen Übersetzung von "Stars" erkundigt, imitiert sie auch den Tonfall der überrascht-beglückten Antwort. Wenn sie eine einzelne rote Rose entgegennimmt, spielt sie die Dornen so überzeugend mit, als würde ihr nur ihre kleine Tochter Nevis zuschauen. Und dass die Leinwände bei "Try" immer wieder jenes Mädchen zeigen, das sein tränenfeuchtes Taschentuch in der Faust zerknüllt, ist weniger Voyeurismus als vielmehr Wirkungs-Beweis.

Da übersieht man gern die Ausdruckstanz-Version von "Vom Winde verweht", die Nelly Furtado ihrem springlebendigen Quartett zumutet - zumal die Tänzerinnen in "Forca" eine Bänder-Choreografie aufführen, die direkt auf die Stadt der Turn- und Sportfeste zugeschnitten scheint. Statt Handküssen fliegen nun Fußbälle - und der olympische Geist kollabiert. Hier wird nicht abgespielt, sondern festgehalten. Dann erfüllt sich Nellys düstere Ahnung: "Why do all good Things come to an End?".