Nachrichtenmagazin Nachrichtenmagazin: «Der Spiegel» bekommt eine Doppelspitze
Hamburg/dpa. - Die offizielle Bestätigungfehlt noch, doch scheint klar, dass der «Spiegel Online»-Chef Mathias Müller von Blumencron und der Berliner Büroleiter Georg Mascolo schon im nächsten Monat in die Chefetage einziehen. Nach dem entsprechenden Vorschlag der tonangebenden Mitarbeiter KG müssen noch die weiteren«Spiegel»-Gesellschafter eingebunden werden, der Verlag Gruner+Jahrund die Erben des Magazingründers Rudolf Augstein. Sie werden aber,so die Erwartung im «Spiegel»-Haus an der Hamburger Brandstwiete, dieVorentscheidung der Mitarbeiter KG nicht mehr aushebeln wollen, zumalkeine Alternative in Sicht ist.
Nach der Absage des ZDF-Moderators Claus Kleber kurz vorWeihnachten hatten sich die Hinweise auf eine interne Lösung desNachfolge-Problems verdichtet. Mit einer Doppelspitze ist dasNachrichtenmagazin schon in früheren Jahrzehnten gut gefahren: Von1973 bis 1986 führten Erich Böhme und Johannes K. Engel das Blatt,von 1986 bis 1989 Erich Böhme und Werner Funk und von 1989 bis 1994Wolfgang Kaden und Hans Werner Kilz. Erst mit der Berufung von Aust1994 trat wieder ein Einzelner an die «Spiegel»-Spitze. Auch beimKonkurrenten «Stern» ein kurzes Stück elbabwärts hat man mit einerDoppelspitze gute Erfahrungen gemacht: Thomas Osterkorn und AndreasPetzold führen das Blatt schon länger als alle anderen Nachfolger desMagazingründers Henri Nannen.
Der passionierte Hochsee-Segler Müller von Blumencron hat seit2000 als Chefredakteur von «Spiegel Online» eine der profiliertestenund erfolgreichsten Internet-Nachrichtenseiten in Deutschlandetabliert. Zuvor hatte der inzwischen 47-jährige mehrere Jahre alsRedakteur und Korrespondent für den gedruckten «Spiegel» in Hamburg,Washington und New York gearbeitet. Sein künftiger Kollege GeorgMascolo (43) gilt als exzellenter Rechercheur. Er startete seineKarriere unter Aust bei «Spiegel TV», wechselte 1991 zur Print-Ausgabe und war vor seiner Berufung zum Berliner Bürochef imvergangenen Jahr «Spiegel»-Korrespondent in den USA. Von Aust wurdeMascolo als «einer der besten Leute, die wir haben», gerühmt.
Der 61-jährige Aust streitet derweil mit dem «Spiegel» noch um dieEinzelheiten seines Ausscheidens. Die Gesellschafter hatten MitteNovember den bis Ende dieses Jahres laufenden Aust-Vertrag nichtverlängert. Das Blatt brauche einen «Modernisierungsschub», hatte derChef der Mitarbeiter KG, Armin Mahler, erklärt. Aust hatte in seinermehr als 13-jährigen Amtszeit die Auflage des Magazins gegen denallgemeinen Markttrend bei gut einer Million Exemplaren stabilisiert,war jedoch in der Redaktion umstritten. Seine Kritiker warfen ihmnicht nur einen autoritären Führungsstil vor, sondern auchjournalistische Versäumnisse. So seien im «Spiegel» kaum nochinvestigative Enthüllungsgeschichten zu lesen. Die Gründertochter undJournalistin Franziska Augstein kritisierte, unter Aust habe der«Spiegel» seinen Platz als Leitmedium verloren und sei zu einem«geschwätzigen Blatt» geworden.