Nach Radio-Interview einer WDR-Journalistin Nach Radio-Interview einer WDR-Journalistin : WDR bestreitet "pro Regierung" zu berichten

Köln - Es ist Wasser auf die Mühlen all derer, die der Presse im Allgemeinem und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Besonderen vorwerfen, geschönt über die Flüchtlingspolitik zu berichten. Die freie WDR-Mitarbeiterin Claudia Zimmermann hat dem niederländischen Radiosender L1 in der Talkrunde „De Stemming“ gesagt, WDR-Journalisten würden dazu aufgefordert, positiv über Flüchtlinge und die Politik von Angela Merkel zu berichten. „Wir sind natürlich angewiesen, pro Regierung zu berichten“, sagte die Mitarbeiterin des WDR-Studios in Aachen laut einer Übersetzung des „Tagesspiegel“ in dem Gespräch über die Folgen der Ereignisse in der Silvesternacht.
Man werde dazu angehalten, das Problem in einer positiven Art anzugehen. „Das beginnt mit der Willkommenskultur von Merkel bis zu dem Augenblick, als die Stimmung kippte und es mehr kritische Stimmen im Rundfunk und von der Politik gab.“ Der WDR beeilte sich am Montag, die Äußerungen Zimmermanns als falsch zurückzuweisen. Der Sender distanziere sich ausdrücklich, sagte die stellvertretende Unternehmenssprecherin Ingrid Schmitz. Man sei entsetzt über diese Gerüchte. „Das entspricht in keinster Weise der Haltung des Unternehmens.“ Die WDR-Berichterstattung erfolge nach höchsten journalistischen Standards, sie sei ausgewogen und unabhängig. „Das gilt für die gesamte Berichterstattung, auch für die über Flüchtlinge.“
WDR-Mitarbeiterin distanziert sich
In einer vom WDR verbreiteten Stellungnahme distanzierte sich Zimmermann am Montag von ihren Aussagen. „Ich habe an dieser Stelle Unsinn geredet.“ Unter dem Druck der Live-Situation in der Talkrunde habe sie totalen Quatsch verzapft. „Mir ist das ungeheuer peinlich“, zitiert sie der Sender. „Ich bin niemals als freie Journalistin aufgefordert worden, tendenziös zu berichten oder einen Bericht in eine bestimmte Richtung zuzuspitzen.“
In der Radiosendung hatte sie hingegen behauptet, die Anweisungen stammten von mehreren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuständigen Ausschüssen. „Wir werden mit Abgaben bezahlt und das bedeutet, dass wir die Stimme der Regierung wiedergeben und nicht die der Opposition.“ Dabei ist es doch gerade die Finanzierung aus dem Rundfunkbeitrag, die die Staatsferne der Öffentlich-Rechtlichen gewährleisten soll.
„Mir sind solche Anweisungen nicht bekannt“
Ruth Hieronymi, Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats, wies solche Aussagen im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zurück. „Mir sind solche Anweisungen nicht bekannt, schon gar nicht aus Aufsichtsgremien“, so Hieronymi. „Im Gegenteil. Wir haben in der jüngsten Rundfunkratsitzung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es entscheidend ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine ausgewogene und realistische Berichterstattung praktiziert, die sowohl über Chancen als auch über Herausforderungen berichtet – und weder übertreibt, noch untertreibt.“
Auch Aussagen des WDR-Polizeireporters Oliver Köhler sind in den sozialen Netzwerken diskutiert worden. Köhler hatte der niederländischen Fernsehsendung „NOS Journaal“ ein Interview zu den Übergriffen am Hauptbahnhof gegeben. Darin sagte er über die Täter: „Sie sind alle Flüchtlinge.“ Sie seien nur hier, um Straftaten zu begehen. Im WDR-Fernsehen äußerte er sich jedoch anders.
In einem Beitrag der „Aktuellen Stunde“ sagte er, die Straftäter stammten häufig aus dem Maghreb und tarnten sich nur als syrische Flüchtlinge. Auch hier wurde der Vorwurf laut, die Aussagen für das WDR-Programm seien geschönt. Der WDR erklärte auf Anfrage, dieser O-Ton sei irreführend verkürzt und aus einem komplexen Zusammenhang gerissen. Köhler habe, so Ingrid Schmitz, in einem längeren Interview die von ihm recherchierten Hintergründe über Taschendiebstahl im großen Stil erläutert. Über die mutmaßlichen Täter sei bekannt, dass sie zu diesem Zweck gezielt einreisten und Asylanträge stellten. Danach habe die Interviewerin die gezielte Frage gestellt, ob es sich denn bei allen diesen mutmaßlichen Tätern um Flüchtlinge handele. Daraufhin habe Köhler geantwortet, sie seien alle Flüchtlinge. „Durch die Verkürzung und den Schnitt bekommt diese Antwort natürlich eine ganz andere Wirkung. Wir behalten uns in der Sache rechtliche Schritte vor“, sagte WDR-Sprecherin Schmitz.
Kritik, der öffentlich-rechtliche Rundfunk berichte geschönt, wird im Zuge der Ereignisse am Kölner Hauptbahnhof immer wieder laut. So hatte der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) schwere Vorwürfe erhoben. Er sprach von einem „Schweigekartell“ und sagte, es gebe offenbar „Nachrichtensperren“, sobald es um Vorwürfe gegen Ausländern gehe. Darauf angesprochen hatte die WDR-Mitarbeiterin Zimmermann im niederländischen Radio gesagt, es gebe kein Schweigekartell.