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Gegen die Angst Musik als Perspektive - Grönemeyer-Album „Das ist los“

Mit „Das ist los“ legt Herbert Grönemeyer ein neues Album vor. Der Musiker taucht damit - sehr tanzbar - aus langen Jahren der Isolation auf. Nun spricht er von Perspektiven. Und von Druck.

Von Gerd Roth, dpa 24.03.2023, 15:35
„Das ist los“: Herbert Grönemeyer legt ein neues Album vor.
„Das ist los“: Herbert Grönemeyer legt ein neues Album vor. Annette Riedl/dpa

Berlin - Da sucht einer. Nach von Isolation und Krisen, selbst Krieg geprägten Jahren braucht es sicher keine einfachen Antworten - aber Perspektiven, Wege, Aufbruch. Herbert Grönemeyer sucht mit seiner Musik. Das Resultat geht gut ins Ohr, ist teils mächtig tanzbar. 13 Songs, ein für seine Verhältnisse langes Album, markieren den vielschichtigen Blick des Musikers auf zwischenmenschliche Gefühle und gesamtgesellschaftliche Nöte. Der Titel wirkt wie ein Hinweis: „Das ist los“ ist da.

Fragen über Fragen aus den vergangenen Jahren

„So eine Zeit wie in den letzten drei Jahren habe ich mit 66 auch noch nie erlebt. Wir alle nicht“, sagt der Sänger. Die daraus resultierenden Fragen liefert er gleich mit: „Was schreibt man dann? Was ist da? Wie denkst du, wie fühlst du dich? Was hast du zu erzählen? Hast du überhaupt was zu erzählen? Wie geht es mit deinen Ängsten? Wie skeptisch bist du? Wie optimistisch bist du?“

Kunst wie etwa Musik sei „schon auch dafür da, Ängste ernst zu nehmen und gleichzeitig aber auch eine Perspektive zu formulieren“. Dafür hat sich Grönemeyer zusammen mit Produzent Alex Silva in ein Haus nach Umbrien zurückgezogen. Er vergleicht es mit der Situation eines Malers: „Man sitzt zunächst wie vor einer weißen Leinwand.“ Aber dann. „Diese italienische Lebensart, so eine luftige Heiterkeit, das hat uns dann schnell dabei geholfen, den Einstieg zu finden.“

Die Songs markieren nun eine hügelige Landschaft zwischen menschlichen Gefühlen und harten Realitäten, vieles noch im Nebel, aber manche Perspektive ist schon zu erkennen. Die Klavierballade „Tau“ beschreibt Glück und Zweisamkeit: „Wir teilen die Kräfte auf“. Im Opener „Deine Hand“ singt Grönemeyer von Hoffnung, die „gerade so schwer zu finden“ sei. Aber da ist eben auch jemand, der ihn gibt, „den Halt, den ich so dringend brauch', um nicht zu brechen“.

Ein Album voller Lebensfreude

Musikalisch lässt sich Grönemeyer durch seine Landschaften treiben. So wird das Album auch zu einer Zeitreise mit Anklängen früher Kraftwerk-Rhythmen („Herzhaft“), 80er Rock („Genie“) oder 90er Pop („Das ist los“). Treibende Beats („Oh Oh Oh“) wechseln sich ab mit Elektro- („Angstfrei“) oder Hiphop-Sounds („Turmhoch“). Da steckt auch ganz viel Lebensfreude drin.

Ein Ausdruck für diese Lebensfreude kann Tanzen sein, von Grönemeyer in mehreren Songs aufgegriffen. „Nicht umsonst tanzen alle Kulturen, tanzen Kinder, weil sie sofort merken, sie sind versetzt in eine völlig andere Stimmung“, sagt der Künstler. Tanzen sei elementar, um sorglos zu werden, „ein wunderbares Vehikel, um einfach mal für eine Zeit den ganzen Müll aus dem Kopf zu kriegen“.

Als Musiker beschreibt er „dieses irre Privileg“ für sich: „Ich gehe auf die Bühne, spiele ein Konzert und die Leute freuen sich daran. Ich kann das anschieben, dass die Leute sich in Bewegung versetzen.“ Die erste Tour nach langen Pandemie-Jahren startet am 16. Mai.

Dabei kann Grönemeyer mit „Der Schlüssel“ auch auf einen Song zu Migration und Flucht zurückgreifen. „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl, Herkunft“, sagt er. „Aber natürlich ganz klar: Wo fühle ich mich geborgen und in welcher Gemeinschaft fühle ich mich geborgen? Das ist ein Heimatbegriff, der - wenn man den wirklich sehr behutsam benutzt - uns alle interessiert.“ Grönemeyer sieht viel von notwendiger Solidarität. „Leute versuchen hier, Flüchtlingen mit ihren Möglichkeiten eine neue Art von Heimat zu bieten. Wir sind eine starke Gemeinschaft, deswegen sind wir auch in der Lage, so vielen Menschen Schutz zu bieten.“

Starke Frauen

Starke Frauen bestimmen immer wieder Teile des Albums. „Das Aufbegehren der Frauen im Iran, Afghanistan und überhaupt weltweit seit einigen Jahren schüttelt uns andere richtig durch und ist wichtig: Wir erkennen enorme Kraft, eine bedingungslose Radikalität für weibliche und humanistische Themen und den Kampf für echte Freiheit und es wird Zeit, dass die überall gesehen wird und Dinge sich nachhaltig ändern“, sagt der Sänger.

„Ohne Druck keine Diamanten“ singt Grönemeyer in „Turmhoch“. Wie hat er den Weg zu seinen Songs empfunden? „Der Druck für mich bei diesem Album war enorm hoch. Ich glaube, das ist auch das Drama des Alters, dass der gefühlte Druck immer höher wird. Also auch der Anspruch an einen selber.“ Erwartungen kommen allerdings auch von außen. Mit „Das ist los“ hat Grönemeyer sein 17. Studioalbum eingespielt. Bisher elf davon landeten auf Platz eins.