Musik Der geheimnisvolle Welterfolg der Agathe Bauer und der kostenlosen Chips
Popmusik ist erfolgreich, aber die Mehrzahl der deutschen Fans hört eher mit dem Herzen zu und versteht nichts. Eine Umfrage des Streaming-Portals Deezer zeigt, welche versteckten Botschafen oft vernommen werden. Ohne dass es sie gibt

Halle - Es ist immer ein wunderbarer Moment, wenn Whitney Houston bei einer Hochzeitsfeier ihren Klassiker „I Will Always Love You“ anstimmt. Das Brautpaar dreht sich auf der Tanzfläche, er hat nur Augen für sie, sie hat nur welche für ihn. Die Mütter zerdrücken ein Tränchen, die Väter prosten sich gerührt zu, und die Hochzeitsgäste schwelgen in der Romantik des Moments. Ist es nicht schön? Die große Liebe als großes Stück Musik. Das nur leider vom ganzen Gegenteil handelt. Whitney Houston beschwört nicht ewige Treue, sondern den Abschied. Nur „bittersüße Erinnerungen“ nimmt sie mit, so der Text, und sie ruft zum Abschied tröstend „Goodbye, don’t cry“.
Auch das Gegenteil ist richtig
Dem Erfolg des Songs als Lied zum Liebesschwur tut der schmerzliche Inhalt keinen Abbruch, denn wenn Houston singt, achtet niemand auf den Text. Viele deutsche Musikfans sind auch beim Snap!-Hit „The Power“ sicher, bei der Textstelle „I’ve got the power“ einer Verbeugung vor einer gewissen „Agathe Bauer“ zu lauschen. In „Money for nothing“ von den Dire Straits dagegen höre viele etwas von „chips for free“, also einer Art Freibier zum Knabbern. Dabei rühmt sich Snap-Sängerin Penny Ford nur für ihre Kraft. Und Mark Knopfler meint „chicks for free“, also vorsichtig gesagt: Damen ohne finanzielles Interesse.
Doch wie in diesen beiden Fällen wird einer neuen Untersuchung des Streamingdienstes Deezer zufolge in Deutschland weitgehend weggehört, wenn es um die Inhalte von populären Songs geht. Mehr als die Hälfte der im Auftrag des französischen Musikportals von YouGov Deutschland befragten 1.084 Personen ab 18 Jahren lässt sich von der Melodie eines Songs begeistern, etwa jeder Zweite wird vom Rhythmus angesprochen. Nur knapp mehr als ein Drittel interessiert sich auch für den Inhalt, der stimmen muss, damit das Lied gefällt. Bei Jüngeren ist der Anteil mit 46 Prozent höher. Zudem achten auch Frauen mit 39 Prozent mehr auf Texte als Männer, bei denen mehr als zwei Drittel sagen, ihnen sei egal, was gesungen wird, wenn es nur gut klinge.
Versteckte Botschaften
Streaming-Nutzer sind zumindest mehrheitlich keine Menschen, die die Welt von Songwritern erklärt bekommen möchten. Nach der Deezer-Umfrage gibt es zwar durchaus auch Hörer, die Lyrics auswendig kennen und ihre Playlists nach zur Stimmung passenden Liedzeilen basteln. Aber in der Mehrheit sind die anderen, für die es eher eine Nebensache ist, ob der neue Song von Harry Styles wirklich von Erdbeeren und Melonen handelt oder ob sich hinter der zuckrigen Poesie über Sommerabende und die Sehnsucht nach dem Bauch eines Babys eine andere Botschaft versteckt.
Tatsächlich ist es egal. Eine Mehrzahl der Musikfans achtet nicht aktiv auf die Texte. Und der Rest verhört sich dann auch noch häufig. Zwar gaben nur zwei von fünf Befragten zu, dass sie schon Songs falsch mitgesungen haben. Die Dunkelziffer dürfte aber höher liegen, da die meisten Verhörer nie bemerkt werden. So glauben auch knapp 40 Jahre nach der Veröffentlichung des Eurythmics-Songs „Sweet dreams are made of this“ immer noch Menschen, dass die Liedzeile „Sweet dreams are made of cheese“ lautet - das wäre dann eine Hymne auf Käse.