Musik Musik: Rückkehr einer Sängerin als Diva
Stuttgart/ddp. - Das bodenlange, halb durchsichtige Kleid in Lilaverleiht der Gestalt Glamour, die Hochsteckfrisur erinnert anHollywoodstars der 40er Jahre. Mit dem Titel «Speakerphone» beginntdie 39-Jährige am Freitagabend in Stuttgart ihr erstesDeutschlandkonzert auf ihrer Europatour «KylieX2008». Die rund 8000Besucher in der Schleyerhalle erwartet eine spektakuläre Bühnenshowund eine Künstlerin, die nicht nur singen kann, sondern auchschwäbisch spricht.
Mit einem «Good evening Stuttgart» begrüßt die Popsängerinzunächst die jubelnde Menge. Hinter ihr sorgen beweglicheProjektionsflächen für eine Bilderflut, unter ihr leuchtet dieHightech-Bühne in schrillen Farben. Es ist kein Discogirl, das da dieSzene beherrscht. Die Dancehits «I Should Be So Lucky» und«Locomotion», mit denen die einstige australische Soapschauspielerinvor 20 Jahren die Hitparaden eroberte, stehen erst gar nicht auf derSetliste. Minogue wirkt gereift und gibt sich mit ihremGlitzerlidschatten, mit ellenbogenlangen Handschuhen und denluxeriösen Designerkostümen, die exklusiv für sie vom Couturier JeanPaul Gaultier entworfen wurden, ganz als Diva.
Die Sängerin stellt vor allem Songs ihres aktuellen Albums «X»vor, das im November erschien. Es ist die erste große Europatour nachihrer erfolgreich bekämpften Brustkrebserkrankung. 2005 musste sieihre «Showgirl»-Tournee abbrechen, als sie die Diagnose erfuhr, dieihr Leben von Grund auf ändern sollte. Mancher Fan wird daran gedachthaben, als Minogue in Stuttgart nach einem von acht Kostüm- undBühnenbildwechseln auf einem Meter hohen Metalltotenschädel sitzendzurückkehrt - in einem blutroten Abendkleid mit Uniformmütze, umgebenvon einem grünen Lichtregen.
Ihre revueartige Show ist wie immer perfekt und bis ins kleinsteDetail einstudiert. Kaum etwas bleibt dem Zufall überlassen, jedeHandbewegung und jeder Hüftschwung sitzt. Mit Kosten in Höhe von rund13 Millionen Euro ist es das bislang teuerste Bühnenspektakel beieiner Kylie-Tour: Tänzer und Akrobaten begleiten nahezu jeden Song,und selbst Bläser lässt Minogue über die Bühne marschieren. Den Titel«On A Night Like This» läuten fünf Tanzpaare in Fracks undschwingenden Röcken mit einem Walzer ein. Auf die Bildflächen imHintergrund wird ein Ballsaal mit festlichen Kronleuchternprojiziert.
Minogue braucht ihre Zeit, bis sie auf der Bühne richtig warm wirdund die Energie und Bühnenpräsenz ausstrahlt, für die ihreKonzertauftritte berühmt sind. Und auch das Publikum geht bei densperrig-elektronischen Klängen ihrer neuen Titel nicht sofort mit.Aber spätestens beim Song «Shocked» hat die Sängerin ihre Fans imGriff. Vor allem im zweiten Showteil, den sie nach einer Pause imGeisha-Look zwischen kämpfenden Samuraikriegern eröffnet, wirdMinogue immer wieder frenetisch gefeiert. Höhepunkt ist ihreInterpretation des Barry-Manilow-Klassikers «Copacabana», den sie wieein Stück aus einem Broadway-Musical inszeniert.
Bei ihren Zugaben will sie die Bühne gar nicht mehr verlassen undflirtet amüsiert mit dem Publikum. «Schaffe, schaffe, Häusle bauen»,ruft sie den Stuttgartern in fast perfektem Schwäbisch zu. Die Showendet mit viel Herz, als sich die Künstlerin von einem Ordner einenkleinen Jungen aus der ersten Reihe auf die Bühne bringen lässt, derihr eine Zeichnung überreichen will. Der Knirps heißt «Simon»,gluckst und kichert ins goldene Mikrofon, und weigert sich schüchternlächelnd trotz Animationsversuche mit dem lachenden Star einStändchen zu singen. Für den Jungen wird dieser Moment wohlunvergesslich bleiben. Die anderen Besucher lernen bei dieser Episodeein Stück weit den Menschen Kylie Minogue kennen - eine nichtunwillkommene Abwechslung von der Perfektion.