Musik Musik: Die Helden bleiben

Hamburg/Berlin/dpa. - Hielt sie sich doch mit dem dazu gehörigen Album «Von hieran blind» über ein Jahr in den deutschen Musikcharts. Ganz andereTöne stimmen die «Helden» dagegen auf ihrer dritten Platte «Soundso»an, die an diesem Freitag erscheint. «Lass uns verschwinden - Wirlösen uns auf» lautet der Refrain des letzten Liedes auf dem Album.
Doch wer nun einen Helden-Abgesang fürchtet, den kann SängerinJudith Holofernes beruhigen. «Es gibt absolut keineAuflösungstendenzen», sagte sie in einem Interview der DeutschenPresse-Agentur dpa in Hamburg. In dem Lied gehe es vielmehr um eineZweierbeziehung, in der die Identität der Einzelpersonen verschwimmt.Die Doppeldeutigkeit der Zeilen war Wir sind Helden durchaus bewusst,die Platzierung als letztes Lied absichtlich gewählt. «Das ist einBeweis für unseren wirklich fiesen Humor», sagte Holofernes mit einemGrinsen.
Ironisch und frech - genauso wie die Fans ihre «Helden» lieben,melden sie sich aus der Babypause zurück. Im Dezember hattenHolofernes und Band-Schlagzeuger Pola Roy, die seit Sommerverheiratet sind und in Berlin leben, einen Sohn bekommen. Seitdemsind Hektik und Stress tabu, dafür nimmt das Privatleben bei allenvier Bandmitgliedern wieder einen höheren Stellenwert ein. «Die ganzeBand hat jetzt ein Baby», sagte Holofernes.
Seit sieben Jahren gibt es Wir sind Helden, seit fünf Jahren sindsie groß im Pop-Geschäft. Für das zweite Album «Von hier an blind»gab es erst kürzlich eine Doppel-Platin-Auszeichnung für mehr als400 000 verkaufte Platten. Mit der Zahl der Verkäufe ist auch dasSelbstbewusstsein gestiegen. Der Erfolgsdruck, den sie vor allem beimzweiten Album gespürt haben, ist von ihnen abgefallen. «Diesmal habenwir uns mit dem gestreckten Mittelfinger gedacht: Wir ziehen unsdiesen Schuh nicht mehr an», sagte Roy. Spielfreude und einschamloses Ausprobieren zeichne das neue Album daher aus, sagteHolofernes. «Dieses Mal haben wir uns so gut wie gar nichtsverkniffen und weder vor Albernheiten noch vor Ausflügen in andereGenres Halt gemacht.»
Dabei herausgekommen ist ein facettenreiches Album, das den Bogenvon lieblichen Pop-Melodien wie «Für nichts garantieren» übermelancholische Balladen bis zum widerborstigen «Endlich ein Grund zurPanik» spannt. Wie auch beim Vorgänger-Album stehen die Gitarrendeutlicher im Vordergrund als bei der ersten Platte «DieReklamation». Aber auch auf Anleihen aus der Neuen Deutschen Wellehaben die «Helden» nicht verzichtet.
Unter den zwölf Stücken hat die Band als erste Singleauskopplungausgerechnet «Endlich ein Grund zur Panik» gewählt. Seit Ende Aprilsteht die Single in den Plattenläden und sorgt seitdem für geteilteMeinung in der Fangemeinde. «Unglaublich schlecht» und«gewöhnungsbedürftig» urteilen die einen in den Internetforen, «toll»und «Volltreffer» die anderen. Doch die «Helden» wollen nicht mehrnur gefallen. «Wir haben gelernt, zu experimentieren», sagte BassistMark Tavassol.
Mit drei veröffentlichten Alben gehört die Band fast schon zu denVeteranen auf dem deutschen Musikmarkt, auf den dank des Internetsimmer mehr junge Talente drängen. Ihr kometenhafter Aufstieg löste2004 einen Boom von deutschsprachiger Pop- und Rockmusik aus. Davonprofitierten neben anderen die Gießener Band Juli und Silbermond ausBautzen, die auf ein ähnliches Erfolgskonzept vertrauen wie Wir sindHelden: charismatische Sängerin im Vordergrund, drei bis vier Männerdrum herum und ehrlich-freche Texte. Seitdem sind die deutschenCharts fest in der Hand heimischer Musik: So waren im Jahr 2005 unterden zehn beliebtesten Alben in Deutschland fünf deutsche Künstler.
Auch die nächste Generation deutscher Bands zeichnet sich bereitsab: Gruppen, die zwar deutsch singen, aber eher nach britischemRetro-Gitarrenrock oder dem New Wave der 80er Jahre klingen wie dieBerliner Gruppe Klez.E, das Hamburger Trio Sport und die Kölner BandKarpatenhund. Doch jetzt ist erstmal wieder Helden-Zeit. Ab Ende Maigehen Wir sind Helden auf Tour und zumindest eins wird so sein wieimmer: Holofernes wird beim Singen die Unterstützung des Publikumsbrauchen: «Diesmal werde ich wahrscheinlich noch mehr Textevergessen, weil ich ja jetzt drei Alben im Kopf haben muss.»