Musik Musik: Der Herbst der alten Meister
Halle/MZ. - So hat der inzwischen 63-jährige Paul McCartney sein erstes Studioalbum seit vier Jahren genannt, auf dem er so jugendfrisch und gut gelaunt wie in früheren Tagen musiziert. Zwischen dem Opener "Fine Line" und dem Finale "Anyway" hat der Ex-Beatle 13 Songs versammelt, die ihn nicht zuletzt als Multi-Instrumentalisten ausweisen: Neben Tasten- und Saiteninstrumenten spielt er sogar Flügelhorn und Flöte. Mit eher exotischen Zutaten wie Glockenspiel und Spinett sowie mit dem opulenten Einsatz von Streichern mischter erstaunliche Klangfarben, die perfekt zu seiner oft altersmilden Lyrik passen. Wunderschön ist vor allem seine Hommage an die Dickens-Figur "Jenny Wren", in der Mister McCartney einmal mehr durch seine jungenhafte und nur scheinbar harmlose Stimmlage besticht. Natürlich wird hier der Pop nicht revolutioniert - auch wenn sich Paul McCartney eines jungen Produzenten bedient.
Aber dass sich der Sänger nach den innovativen Jahren der Fab Four und nach den eher kommerziell als intellektuell erfolgreichen Zeiten mit seinen Wings noch einmal neu erfindet, dass er die Herausforderung sucht und besteht, ist kein kleines Wunder. Immerhin weiß er selbst ein Lied von dem schmalen Grat zu singen - und von dem langen Weg, den man zwischen Chaos und Schöpfung zurückzulegen hat. Eine kluge Platte, die auch von den Verlusten eines langen Lebens zu erzählen weiß - etwa in "Friends to go", das in Erinnerung an den einstigen Weggefährten George Harrison geschrieben wurde.
Aus schweren Schmerzen hat auch Eric Clapton einige seiner schönsten Songs komponiert - beispielsweise den Klassiker "Tears in Heaven", den er dem Gedenken an seinen tödlich verunglückten Sohn widmete. Dass auf seiner neuen CD "Back home" nun ausgerechnet fröhliches Kindergeschrei am Ende des ersten Titels "So tired" erklingt, wirkt da wie eine Rückmeldung im Glück. Und tatsächlich zeigt sich der 60-Jährige im Booklet in einem Kinder-Paradies mit seiner jungen Familie - und straft die Eingangs-Behauptung, dass er "so müde" sei, durch seine entspannten Stücke Lügen. Das ist offenbar einer jener Scherze, zu denen auch Claptons Spitzname Slowhand zählt. Denn dass er in Wahrheit ein perfekter Gitarrist ist, der die Schönheit des Einfachen erst nach vielen Exkursionen im Reich der Virtuosität für sich entdeckt hat, weiß man schließlich längst.
Auch auf der neuen Scheibe, die wie eine Ankunft des einstigen "Pilgrim" wirkt, erweist er Freunden und Vorbildern seine Referenz, weshalb nur fünf Stücke innerhalb des Song-Dutzends aus seiner eigenen Feder stammen. Viel lieber präsentiert Clapton Songs wie Stevie Wonders "Going Left" oder George Harrisons "Love Comes to Everyone" - und lädt sich dafür prominente Gäste wie Altmeister Steve Winwood oder Jungstar John Mayer ins Studio. Dass die CD am Ende dann doch wie ein langer, ruhiger Fluss ohne nennenswerte Stromschnellen oder gefährliche Klippen vorbeizieht, muss man Clapton nicht ankreiden. Immerhin zählt er inzwischen zur Generation der Überlebenden im kräftezehrenden Rock-Business.
Dabei trifft er sich mit den Rolling Stones, die mit ihrem "A Bigger Bang" gerade noch einmal ein randvolles, krachendes 17-Tracks-Album vorgelegt haben - oder mit Roger Waters, der mit 25-jähriger Verspätung eben sein neoklassisches Revolutions-Epos "Ca ira - There is Hope" präsentiert.
All das sind Platten, die tatsächlich für einen goldenen Herbst im CD-Spieler sorgen können. Man muss den alten Herren nur genau zuhören, wenn sie bei "English Tea" (McCartney) von ihrem Leben erzählen, anstatt in die alten Posen zu verfallen. Wobei Mick Jagger & Co. da natürlich eine Ausnahme machen. Aber die haben ihre Rolle ja inzwischen auch so verinnerlicht, dass man jede Abweichung von der harten Linie als Zeichen für Vergesslichkeit auslegen würde.