Musik Musik: Behörden machen Front gegen Sex und Gewalt im Getto-Rap

Bonn/dpa. - Im neuen Deutsch-Rap geht es immer derber undvulgärer zur Sache. Sexuelle Gewalt, Verherrlichung von Drogen,perverse Herabwürdigung von Frauen und offener Rassismus sollenprovozieren. Die prolligen Hardcore-Texte des Berliner Labels AggroBerlin mit dem Erfolgsrapper Sido überschreiten selbst untersteGrenzen des sonst Üblichen im HipHop - und werden von Schulkindern imtypischen Sprechgesang nachgeahmt. Oft wissen Eltern nicht, welchkrasse Songs sich ihre Sprösslinge in den Musikkanälen mithalbnackten willigen Girls, über CDs oder im Internet «reinziehen».
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) in Bonnhat inzwischen mehrere CDs von Aggro Berlin auf den Index gesetzt. Nachdem bereits «AGGRO Ansage Nr. 3» als «jugendgefährdend» eingestuft war, traf dieser Spruch jetzt auch «AGGRO Ansage Nr. 2» mit Titeln wie «Pussy» und «Psycho Neger B» sowie die CD «King of Kingz» von Bushido. Die CDs - mit dem allgegenwärtigen Schlüsselwort «Ficken» - seien geeignet, Kinder und Jugendliche «sozialethisch zu desorientieren», urteilte die BPjM. Dass Rapper selbst eine schwierige Kindheit gehabt hätten oder in einem gewaltbereiten Umfeld groß geworden seien, gebe ihnen keinen Freifahrtschein.
Frauen und Mädchen würden an vielen Stellen abwertend etwa als«Nutte», «Beef» oder «Muschi» bezeichnet. Sie hätten zur sexuellen Befriedigung des Mannes Geschlechtsverkehr «in allen Varianten» auszuführen: «Ihr wollt Romantik? Ich fick mit der Faust! Ich mag es, wenn Du weinst. Komm, Nutte, bounce. Spar dir Deine Blumen, hoch mit dem Rock!» (aus «Pussy» von Bushido).
Machogehabe, Stricher- und Junkiemilieu - auch der 24-jährige Paul Würdig alias Sido («Ich habe alles durchgemacht») haut mächtig drauf. Sido steht für «Superintelligentes Drogenopfer». Musiksender - und bisher auch die Bonner Wächter - sehen in ihm keine Jugendgefährdung. Der TV-Kanal Viva verlieh ihm 2004 den Medienpreis Comet als bestem Newcomer des Jahres. Bei der «Bravo»-Supershow erhielt er im März von Lesern den Goldenen Otto als «Super-Rapper national». Bei Stefan Raab trat Sido im TV vor einem Millionenpublikum mit einem Joint auf.
In seiner wohl härtesten Nummer, dem «Arschficksong», bemüht Sido seine eigenen Erfahrungen: «Es fing an mit Dreizehn und 'ner Tube Gleitcreme». Den Song gibt es als Maxi-CD und er ist auch auf der CD «Aggro Ansage Nr. 1», wurde aber von der BPjM nicht als jugendgefährdend eingestuft. Die Behörde wurde hierzu (wie in solchen Fällen üblich) gar nicht erst tätig, weil die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) den Titel auf DVD bereits mit der Alterskennzeichnung «frei ab 16 Jahre» versehen hatte.
Seit 2004 setzte die Bundesprüfstelle bisher sieben Rap-Titel auf den Index. Mehrere Verfahren - unter anderem zu Sido - laufen noch. Die Indizierung bedeutet, dass die betroffenen CDs nur noch unter der Ladentheke an mindestens 18-Jährige verkauft und auch nicht mehr öffentlich beworben werden dürfen. Doch längst ist es schon unter 10-bis 13-Jährigen üblich, sich die Titel aus dem Internet herunterzuladen und sie dann an Freunde und Klassenkameraden weiterzugeben. Außerdem können CDs leicht Online bestellt werden.
Ein hundertprozentiger Schutz sei durch eine Indizierung natürlich nicht zu garantieren, räumte Petra Meier von der BPjM ein. «Sie kann aber Signalwirkung haben und soll auch bei Eltern und Erziehern das Problembewusstsein schärfen.» Vor allem Eltern seien aufgerufen, hier ihrer Sorgepflicht nachzukommen.
Verteidiger des «Battle-Rap» wie der Kultursoziologe Roland Seimverweisen darauf, dass die Rapper nur ihren eigenen Alltag und eine Getto-Realität etwa im Berliner Märkischen Viertel (besonders deutlich bei Sidos «Mein Block») sowie ihre Frustrationen und fehlenden Zukunftsperspektiven wiedergäben. Würden sie sich einer anderen Wortwahl bedienen, wäre dies nicht mehr authentisch. Außerdem handele es sich mehr um «Attitüden» und Floskeln, die kaum wortwörtlich genommen werden dürften. Dem Rap müsse «ein Erprobungsspielraum für die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Grenzbereichen» zugestanden werden. Auch Texte von US-Rapstars wie Eminem, 50 Cent oder Khia seien ähnlich direkt.
Den aggressiven deutschen Getto-Rap hat auch die Vorsitzende desBundestag-Medienausschusses, Monika Griefahn (SPD), ins Visiergenommen. Sie forderte private Radio- und TV-Musiksender wie MTV und Viva auf, sie aus dem Programm zu nehmen. Indizierte Titel dürfen die Sender ohnehin nicht ausstrahlen. Die Bonner Prüfstelle handelt aber nur auf konkrete Indizierungsanträge von anderen Behörden wie Jugendämtern und Polizei. Sie muss dann die Verfassungsgüter «Kunstfreiheit» und «Jugendschutz» gegeneinander abwägen.