Museum der bildenden Künste Leipzig Museum der bildenden Künste Leipzig: Das Leben in der Leere
Leipzig/MZ. - Die heftigen und oft polemisch geführten Debatten um die bildende Kunst der DDR und ihre ideologischen Konnotationen hat auch der Begriff der "Leipziger Schule" samt der damit verbundenen Realismus-Konzeption bekanntlich nicht unbeschadet überstanden. Dass nun eine neue Generation mit relativer Unbefangenheit antritt, um die diskreditierte Vokabel durchaus eigenständig mit neuem Leben zu erfüllen, belegt die aktuelle Schau des Neuen Leipziger Kunstvereins in jenem Interimsquartier, dass das Museum der bildenden Künste bis zum geplanten Neubau beherbergt.
"Sieben Mal Malerei" heißt die Ausstellung, deren Autoren ausnahmslos Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts geboren und an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst ausgebildet wurden. Aus diesen biografischen Parallelen sowie dem prägenden Einfluss von Professoren wie Arno Rink und Sighard Gille aber den Verdacht einer ästhetischen Uniformierung abzuleiten, wäre kurzschlüssig. Denn bemerkenswert ist gerade die stilistische Souveränität und Vielfalt dieser jungen Künstler, die ihre Arbeiten über die Berliner Galerie Liga vermarkten.
Da sind zum einen die magischen Motiv-Montagen von Tilo Baumgärtel, der in seiner Kombination von trivialen Elementen Bilderrätsel im Geist des nur wenige Jahre älteren Maler-Stars Neo Rauch formuliert. Dass die gelegentlich seriell als surrealer Comic-Strip zu lesenden Arbeiten dennoch unbedingte Eigenständigkeit behaupten, liegt auch an ihrer malerischen Qualität. Über solche Meisterschaft gebietet auch David Schnell, dessen gigantische und stets menschenleere Landschaften den Betrachter zugleich einsaugen und abstoßen - spätestens dann, wenn er die Vergewaltigungen der Natur durch symmetrische Pflanzungen und Beschneidungen entdeckt, deren geometrische Vorzeichnungen der Maler bewusst bewahrt.
Ähnlich ereignisleere und geheimnisvolle Szenerien kreiert Matthias Weischer, dessen Intentionen sich in Titeln wie "Bühne" oder "Innenraum" enthüllen. In eigenwilligen Totalen oder lakonischen Details entwickeln sich Welten, die wie auf dem Bildschirm eines Computerspiel-Gestalters zusammengesetzt oder durch das Objektiv eines Amateur-Fotografen gesehen wirken.
Einen größeren Schritt in Richtung der Abstraktion geht Martin Kobe, der mit seinen akribisch gegliederten und farblich abgestuften Gemälden offenbar die senkrechten Schraffuren von Scans-Codes auffächert und als Lebensraum behauptet. Dieser unwirtliche Kosmos, dessen Innen kaum von seinem Außen zu unterscheiden ist, erzeugt ein ähnliches Unbehagen wie die unterkühlten Porträts von Tim Eitel, der zeitweise auch an der halleschen Burg Giebichenstein studierte. Eitels Figuren wirken wie Fremdkörper inmitten beruhigter, aber keinesfalls beschaulicher Landschaften. Ihre fotorealistisch genaue Darstellung erhöht den Eindruck einer Unterkühlung bis hin zur leblosen Starre.
Den umgekehrten Weg wählt Peter Busch, der seine poetischen Orte geradezu obsessiv mit dem Hinweis auf die realen Vorbilder versieht, um sie dann doch mit einer weichen Unschärfe zu überziehen und im Farbspektrum zu beschränken. Was hier wie eine überraschende Aneignung und Umwidmung der klassischen Landschaftsmalerei wirkt, deren Irritation durch die Wahl von gänzlich unspektakulären Blickwinkeln noch gesteigert wird, gerät bei Christoph Ruckhäberle zur direktesten Annäherung an die alte Leipziger Schule. Seine erzählerische Lust, die sich mit Vorliebe an seltsamen Situationen in verlebten Straßen und Wohnräumen entzündet, ist durchaus eine Referenz an den Geist der Lehrer, der in Bildern wie der "Komödie" wieder produktiv wird.
In der Konfrontation mit den älteren Kollegen Gille, Rauch, Rinke sowie Wolfram Ebersbach wird das neu erwachte Interesse an der Inszenierung und an nur vermeintlich realistischen Konzepten besonders deutlich. Dass es in dieser Schule aber kein gemeinsames Klassenziel, sondern eine lockere Gemeinschaft von Individualisten gibt, lässt sie so wertvoll werden.