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Mord und Drama auf den Färöer-Inseln

04.01.2017, 14:32
„Das Walmesser” von C.R. Neilson (Ausschnitt). Foto: Heyne Verlag
„Das Walmesser” von C.R. Neilson (Ausschnitt). Foto: Heyne Verlag Heyne Verlag

Berlin - John Callum ist auf der Flucht. Auf den Färöer-Inseln weit im Norden sucht er einen ruhigen Platz für sich. Die Inselgruppe im Nordatlantik zwischen Island und Schottland ist so abgelegen, dass er glaubt, hier die Vergangenheit hinter sich lassen zu können.

Als der Roman beginnt, in dem Callum sowohl Hauptfigur als auch Erzähler ist, ist sein Zustand allerdings alles andere als erstrebenswert. Er wacht am Hafen der Hauptstadt Torshavn auf, weiß kaum, wo er ist, und schon gar nicht, wie er dort hingekommen ist.

Anfangs glaubt er nur an eine durchzechte Nacht, aber dabei bleibt es nicht. In seiner Hosentasche entdeckt er ein Walmesser, ein kurzes Messer, das auf den Färöern fast jeder hat. Er aber nicht. Dann gerät er in Panik: An dem Messer klebt Blut, aber er selbst ist nicht verletzt. Callum weiß beim besten Willen nicht, was er getan hat, aber er traut sich offenbar schlimme Verbrechen zu.

Dann geht die Erzählung drei Monate in die Vergangenheit. Callum trifft aus Schottland in Torshavn ein und versucht, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Er kennt niemanden und versteht die Sprache nicht, aber dennoch ist er überzeugt, hier seine Zukunft zu finden.

Ausführlich beschreibt Callum, wie er sich in seiner neuen Umgebung etabliert. Er findet einen Arbeitsplatz und eine Unterkunft, und nach gar nicht allzu langer Zeit sogar eine Freundin.

Alles scheint gut zu werden, aber immer schwingt ein düsterer Grundton mit. Callum ist sehr darauf bedacht, Distanz zu seinen Mitmenschen zu wahren und nichts über seine Vergangenheit zu erzählen. Vor allem wird er von Alpträumen voller Gewalt geplagt, die der Roman immer wieder in dramatischen Szenen beschreibt. Sie haben etwas mit seinem früheren Leben zu tun, aber was, bleibt im Dunkeln.

Ähnlich zwiespältig werden auch die Färöer dargestellt. Callum ist sehr beeindruckt von der überwältigenden Natur, die er ausgiebig beschreibt, und auch die Färinger sind durchweg freundliche und hilfsbereite Menschen. Aber es gibt eine Kehrseite. Schockiert erlebt Callum die blutige Tradition der Waljagd mit. Und trotz aller Freundlichkeit scheint bei vielen Färingern eine Gewaltbereitschaft dicht unter der Oberfläche zu schlummern.

Es dauert nicht lange, und genau das passiert, was Callum insgeheim befürchtet hat: Er wird unter Mordverdacht verhaftet. Um den Fall aufzuklären, reisen sogar Kommissare vom dänischen Festland an. Sie müssen kommen, weil sich auf der Insel niemand diese Aufgabe zutraut: „Ein derartiges Verbrechen war undenkbar auf den Färöern. Auf den Inseln war in den letzten fünfundzwanzig Jahren ein einziger Mensch ermordet worden, bis jetzt.”

So gerät Callum immer mehr in die Defensive. Er kann seine Unschuld nicht beweisen, und die Stimmung der Färinger wendet sich immer mehr gegen den Außenseiter. Vor allem aber plagt sich Callum mit der Frage, ob er ein Mörder ist oder nicht.

Der Roman nimmt sich viel Zeit, sowohl die äußeren Gegebenheiten der Handlung darzustellen als auch die inneren Konflikte des Erzählers. „Das Walmesser” ist ein rundum gelungener Thriller, der seinen besonderen Reiz vom Handlungsort Färöer-Inseln bezieht. Umso erstaunlicher ist, dass der Roman unter dem Pseudonym C.R. Neilson veröffentlicht wurde. Das englische Original nennt als Verfasser den Schotten Craig Robertson, von dem schon mehrere Krimis in Deutschland veröffentlicht wurden.

- C.R. Neilson: Das Walmesser. Heyne Verlag, München, 510 Seiten, 14,95 Euro, ISBN 978-3-453-41967-4. (dpa)