Monotone Intensität: «The Follower» von The Field

Hamburg - Axel Willner arbeitet unter dem Namen The Field seit über zehn Jahren konsequent an seiner ganz speziellen Idee von elektronischer Musik. Jetzt hat der schwedische Produzent sein fünftes Album «The Follower» veröffentlicht, das in seiner Intensität und hypnotischen Wirkung ganz neue Maßstäbe setzt.
Axel Willner veröffentlichte seine ersten EPs in den Jahren 2005 und 2006 auf dem Kölner Techno-Label Kompakt. 2007 folgte dann das Debütalbum mit dem schönen Titel «From Here We Go Sublime», das eher den Eindruck einer losen Sammlung von bereits veröffentlichten und neuen Tracks, als den eines zusammenhängend konzipierten Albums machte.
Allerdings tauchten auf dem ersten Album bereits fast alle relevanten musikalischen Eigenheiten auf, die The Field auch noch heute so einzigartig macht. Dazu gehören die Reduktion der Tracks auf wenige wesentliche Bestandteile, ein häufig unwiderstehlich treibender und pulsierender Groove, die clevere Nutzung von Breaks und der vielschichtige Einsatz von geloopten Samples, bei denen sich die Identität der ursprünglichen musikalische Quellen manchmal zum Ende des Stücks hin, oft aber auch gar nicht, offenbart.
Bereits zwei Jahre nach seinem Debütalbum war Axel mit dem Nachfolger «Yesterday And Today» musikalisch vollständig bei sich selbst angekommen. Beispielsweise rissen die beiden fantastischen Tracks «Leave It» und «Sequenced» erstmals die Zehn-Minuten-Marke, variierten ihr musikalisches Hauptthema kaum noch und erzeugten durch den zusätzlichen Einsatz von Live-Instrumenten eine fantastisch hypnotische Wirkung. Allerdings durchbrach The Field diese vorherrschende Monotonie innerhalb des Albums auch gerne mal mit eher leicht konsumierbaren Stücken wie zum Beispiel dem verträumten «Everybody's Got To Learn Sometime».
Auf dem treffend benannten Folgealbum «Looping State Of Mind» perfektionierte der schwedische Künstler die bereits auf dem Vorgänger verwendete Mischung aus elektronischem Equipment und Live-Instrumenten. Besonders effizient ist diese Kombination auf «It’s Up There» wiederzufinden. Atemberaubend ist dabei auch die Art und Weise, wie The Field die eigentliche musikalische Grundrichtung dieses Tracks ganz unerwartet variiert. Bei «It’s Up There» setzt er dazu einen unendlich satt groovenden Live-Bass ein, der im letzten Drittel des Tracks auf ein Break folgt und dadurch das Stück sehr clever und sehr wirkungsvoll in eine neue Richtung dreht.
Auf dem vorletzten Album «Cupid's Head» änderte sich dann nicht nur die bisher dominierende Farbe der vorherigen drei Plattencover von Weiß auf Schwarz. Auch Axels Sound verdunkelte sich immer mehr und ließ auf den sechs enthaltenen Stücken deutlich seltener die Sonne rein. Gut zu beobachten ist das auf dem mitreißenden Opener «They Won't See Me», bei dem die schimmernden Synthesizerflächen erst ab der zweiten Hälfte des Tracks die ursprünglich düstere Grundstimmung immer mehr überlagern.
Zweieinhalb Jahre später ist auf «The Follower» (Kompakt) nun endgültig Schluss mit lustig. Das dunkel gehaltene Coverdesign des Vorgängers ist exakt so geblieben, im Prinzip wurde nur der Albumtitel ausgetauscht. Auch wurde die Anzahl der Stücke beibehalten. Es gibt bei einer Gesamtlaufzeit von etwas mehr als einer Stunde kaum noch Tracks unter zehn Minuten und die Vielfalt und der manchmal wärmende Glanz seiner bisherigen Veröffentlichungen müssen nun bis auf wenige Ausnahmen endgültig draußen bleiben.
Exemplarisch zeigt diese musikalische Entwicklung der titelgebende Anfangstrack «The Follower». Das Stück baut sich superlangsam auf einer auf- und abwandernden dunklen Sequenz auf, die irgendwann von den bis zur Unkenntlichkeit verfremdeten und wie immer exzessiv geloopten Samples ergänzt wird. Ungefähr in der Hälfte des Stückes folgt dann ein Break, an dessen Ende der tonnenschwere und wie durch eine zähe Flüssigkeit watende, aber betörend groovende Bass einsetzt.
«The Follower» ist der perfekte Opener und richtungsweisend für den gesamten Rest des Albums. Der beatlose und leicht albtraumhafte Anfang des Nachfolgetracks «Pink Sun» mit seinen wispernden Sprachfragmenten ähnelt der Stimmung, die auch auf den Alben der Band Scorn zu finden ist, nachdem sich dessen Mitglieder Anfang/Mitte der 90er von ihren ursprünglichen Grindcore-Wurzeln der elektronischen Musik zuwandten. «Pink Sun» ist dabei eines der bedröhnendsten Stücke von The Field, das sich langsam kreisend in den Schädel des Hörers bohrt und in seiner monotonen Wirkung so manchen Minimal-Techno-Track gut gelaunt und abwechslungsreich erscheinen lässt.
Der dritte Track «Monte Verità» spielt - wie schon älterer Stücke von The Field - mit dem Sampling von hochgepitchten und ursprünglich wahrscheinlich weiblichen Vocals, baut sich ebenfalls superlangsam um sich selbst drehend und zäh pulsierend auf, bevor die intensive Monotonie in der Mitte des Stückes unterbrochen und darauf folgend mit einem noch gewaltigeren und heftigeren Groove fortgeführt wird. Die immer lauter werdenden Gitarrenfeedback-ähnlichen Sounds tun dabei ihr Übriges, um aus dem gut zehn Minuten langen «Monte Verità» ein äußerstes intensives Erlebnis zu machen.
Das darauf folgende «Soft Streams» setzt die dunkle Atmosphäre der vorherigen Tracks zu Beginn mit seinem träge stampfenden Rhythmus und seinen in Echoschleifen gefangenen dunkel zischenden Samples fort, bevor sich seltsam leiernde Glockenklänge in den Vordergrund drängen und erstmals etwas Licht in die dunklen Weiten des Albums hereinlassen. Und auch der Nachfolger «Raise The Dead» verbreitet innerhalb seiner zwölf Minuten Laufzeit mehr Wärme als der Titel vermuten lässt, bevor der letzte Track «Reflecting Lights» zu einer abschließenden vierzehnminütigen Meditation bei 80 Beats pro Minute ansetzt.
The Field liefert mit «The Follower» ein auf Albumlänge in dieser Intensität und Konsequenz tatsächlich einzigartiges musikalisches Meisterwerk ab, dessen Strukturen und Sounddetails sich dem Hörer allerdings nur sehr langsam und zögerlich erschließen. Axel Willer verdeutlicht mit diesem Longplayer erneut, das er zu einem der versiertesten und interessantesten Künstler der elektronischen Musikszene gehört. Spannenden bleiben jetzt die Fragen, wie The Field sein neuestes Werk auf der hoffentlich bald kommenden Tour live umsetzen wird und was von einem Nachfolgealbum nach dieser kompromisslosen Veröffentlichung eigentlich überhaupt noch zu erwarten ist. (dpa)