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Moderator-Rücktritt Moderator-Rücktritt: US-Politkomiker Jon Stewart verlässt die "Daily Show"

Von Christian Bos 11.02.2015, 07:54
Viele Jahre hat Jon Stewart die Satire-Show moderiert.
Viele Jahre hat Jon Stewart die Satire-Show moderiert. dpa Lizenz

Los Angeles - „Diese Show verdient keinen Gastgeber, den auch nur ein wenig die Ruhelosigkeit gepackt hat“, eröffnet Jon Stewart am Dienstagabend dem Publikum seiner „Daily Show“, „und ebenso wenig verdienen sie das.“ Dann kommen dem Moderator, der sich von keinem Präsidenten, Ex-Präsidenten oder Fox-News-Kommentator einschüchtern lässt, der nie um eine schlagfertige Richtigstellung verlegen war, der nach dem 11. September 2001 als erster die richtigen Worte fand, die Tränen.

Nach 16 Jahren wird Stewart als Gastgeber der „Daily Show“ abtreten, überraschend, wenn auch nicht völlig unerwartet. Das ist mehr als eine Fernsehpersonalie. Für viele Zuschauer verkörpert Stewart die Nachrichten. Sie informieren sich über das Weltgeschehen ausgerechnet beim Nachrichten-Parodisten und können das mit gutem Gewissen tun: Denn die „Daily Show“ bietet einen unverstellten und entlarvenden Blick auf die politische Debatte, den der Mainstream des amerikanischen TV-Journalismus nicht mehr leisten kann oder will.

Eine neue Form der Berichterstattung

Als Stewart Anfang 1999 die „Daily Show“ auf dem kleinen US-Sender Comedy Central von deren ersten Moderator Craig Kilborn übernahm, war die Nachrichtenparodie noch ein typisches Kind der 90er, kreiste pop-affin und zynisch um eine leere Mitte. Das sich der Tonfall unter Stewart radikal ändern sollte, war damals noch nicht abzusehen. Stewart, 1962 als Jonathan Stuart Leibowitz in New York geboren, galt als begabter Stand-up-Comedian und fotogener Talkshow-Gastgeber. Aber bestimmt nicht als das kritische Gewissen einer Nation. Doch in eben diese Rolle wuchs Stewart mit erstaunlicher Geschwindigkeit hinein. Seine Form der Satire war nicht weniger ätzend als die seines Vorgängers, doch nie Mittel zum Zweck. Eher schon eine neue Form der Berichterstattung. Eine, die offen Stellung bezieht und dadurch den Blickwinkel schärft. Und die seitdem viele Nachahmer fand. Wie etwa die „heute show“ im ZDF.

Stewart nutzte die Narrenfreiheit des Komödianten, um selbst die Elite aus Washington – die sich zunehmend darum bemühte, in die Show geladen zu werden – unverblümt anzugehen. John McCain – der kurz davor stand, seine Präsidentschaftskandidatur zu verkünden – konfrontierte Stewart im Jahr 2006 mit dessen Auftritt an einer evangelikalen Universität: „Sie verlassen uns und begeben sich die Welt der Durchgeknallten?“ „Ich fürchte doch“, antwortete Senator McCain und musste sich noch wochenlang mit den politischen Konsequenzen seiner unbeabsichtigten Offenheit herumschlagen. Als Barack Obama als erster amtierender US-Präsident die Show besuchte, warf ihm Stewart sogleich an den Kopf, dass sein Krankenversicherungs-Programm viel zu zögerlich sei.

Late-Night-Kaderschmiede

Auch seine „Korrespondenten“ ermutigte Stewart eigene Standpunkte zu beziehen. Die „Daily Show“ wurde auf diese Weise zur Late-Night-Kaderschmiede: Stephen Colbert tritt im Herbst bei CBS die Nachfolge David Lettermans, „Senior Black Correspondent“ Larry Wilmore leitet seit kurzem eine eigene Talkshow auf Comedy Central. Und John Oliver hat das „Daily Show“-Konzept erfolgreich zum Bezahlsender HBO exportiert, produziert dort seit einem Jahr Internet-Videos, die fast noch effektiver zur politischen Aufklärung der Internet-Generation beitragen als Stewart. Auch Hollywood-Größen wie Steve Carell und Ed Helms haben ihre ersten Schritte in der „Daily Show“ unternommen.

Stewart, den die „New York Times“ den vertrauenswürdigsten Mann Amerikas nannte (ein Titel, der einst die Nachrichten-Ikone Walter Cronkite trug), hat bislang nur verraten, dass er die Show irgendwann zwischen Juli und Dezember 2015 verlassen wird. Jedenfalls noch vor den nächsten Präsidentschaftswahlen.

Einen langen Wahlkampf ohne das Korrektiv aus Stewarts ätzenden Kommentaren mag sich im Moment allerdings niemand in den USA vorstellen. Jon Stewart weint und ein Land weint mit ihm. drehen. Das Polit-Drama mit Hauptdarsteller Gael Garcia Bernal erzählt die wahre Geschichte des kanadisch-iranischen Journalisten Maziar Bahari, der 2009 wegen Spionagevorwürfen vier Monate in einem iranischen Gefängnis verbrachte.