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Moby: Zurück in die Elektro-Zukunft

Von Jan-Henrik Petermann 31.03.2008, 09:24

Köln/dpa. - Ein Popstar wäre kein echter Popstar, bewiese er nicht ein sicheres Gespür für den wohldosierten Stilbruch und erfände er sich nicht von Zeit zu Zeit völlig neu. Für Moby ist der «Wandel als einzige Konstante» kommerzielles Programm und künstlerische Selbstverpflichtung zugleich.

Das New Yorker Allround-Talent (bürgerlich: Richard Melville Hall) war einst im Untergrund der Technoszene zu Hause, galt später als Avantgardist elektronischer Klänge, schwamm schließlich auf der Erfolgswelle des Hitparaden-Pop. Nun will der 42-Jährige zurück zu seinen Wurzeln. Und die liegen weit abseits der großen Festivalbühnen. Richtig «zu Hause» fühlt er sich nur in den kleinen, schummrigen Dance-Clubs der Musikmetropolen.

«Dieses Projekt ist vor allem ein Blick zurück», sagt Moby über sein neues Album «Last Night». «Ich lasse viele Genres Revue passieren, mit denen ich aufgewachsen bin. Aber es ging mir auch darum, eine Platte zu machen, die sich wie New York im Jahr 2008 anhört.» Zwar sei das Werk - aufgenommen in Mobys Privatstudio in Manhattan - eindeutig «dance-orientierter» als seine letzten CDs. Er würde es jedoch nicht als reinrassiges «Club-Album» bezeichnen, meint der frühere Meister des Rave ­ «jedenfalls nicht als etwas, das der DJ um zwei Uhr morgens spielen sollte».

Halb sehnsuchtsvolle Retrospektive, halb ambitionierter Blick nach vorn: So kannte man Mobys stilistischen Gemischtwarenladen schon von früheren Produktionen. Trotzdem ist «Last Night» klanglich anders gestaltet als die Vorgänger-Alben «Hotel» (2005) und «18» (2001) oder der 9-Millionen-Bestseller «Play» aus dem Jahr 1999. Ob der gedämpft und gleichzeitig frisch wirkende Sound bewusst so abgemischt wurde? «Na klar», sagt Moby und nippt an seiner Teetasse. «Wenn ich in New York bin, bleibe ich viel zu lange draußen und habe einfach nur Spaß. Ich wollte eine Platte einspielen, die diese Gefühle widerspiegelt.»

Die dramaturgische Grundidee hinter diesem akustischen Liebesbrief an seine Heimatstadt ist offensichtlich: Obgleich offiziell nicht als Konzeptalbum gedacht («zu ernst und wichtigtuerisch»), ähneln die 14 Stücke einer 65-minütigen Zeitkapsel, in der Moby die Stationen und Emotionen einer langen, durchtanzten Nacht einzufangen versucht.

Los geht der Parforceritt durch die Geschichte der elektronischen Musik mit gutgelauntem Euro-Disco. Die Stimmung ist prächtig, Moby suhlt sich in der Idylle des unschuldigen Synthie-Pop. Ein wenig Old-School-HipHop zum «Abgehen», ein wenig Downtempo zum «Runterkommen» ­ und zwischendurch eine kräftige Prise Techno auf den Plattenteller. Für das Lied «I Love to Move In Here» tat sich der Meister mit Rap-Veteran Grandmaster Caz zusammen, dessen Sprechgesang er mit Piano-Akkorden und elegischen Streicher-Melodien unterlegte. «Ich bin dankbar, in der Ära der 80er musikalisch erwachsen geworden zu sein.»

Überhaupt diese 80er! Ihr Lebensgefühl bildet das Fundament der CD. «Damals war ich DJ und wusste nicht viel vom Geschäft», gibt Moby zu. Doch die Hingabe an eine Epoche, in der die Musikkonzerne noch nicht die «Arroganz des großen Geldes» an den Tag legten, ist klar herauszuhören. Dem Ende der Dekade entspricht auch die hitzigste Phase der Party: Moby, der Kosmopolit, zieht eine Portion French House aus dem Plattenkoffer. Danach erinnert er sich in «Everyday It's 1989» an die Geburt der Rave-Bewegung, die er ehedem mitprägte.

Auch die typischen, oft gesampleten Gospel-Gesänge sind auf «Last Night» wieder vertreten. «Könnte ich singen wie David Bowie, hätte jeder Song meine eigene Stimme mit dabei», entschuldigt sich Moby, der sich in experimentellen Zeiten von der deutschen Elektro-Truppe Kraftwerk inspiriert fühlte. Das Stück «Degenerates» markiert dann den Wendepunkt der Nacht: Es wird stiller, aber auch schräger. «4 Uhr morgens - die Dinge gehen nicht schief, werden aber immer seltsamer.»

Doch die Rettung ist nah. Am Ende wankt der Hörer durchs Zwielicht der erwachenden Großstadt. Leichte Betäubung, starke Erschöpfung. Ein Anflug von Glück. Seinen neuesten Stil-Mix will Moby als Antwort auf alle Kritiker verstanden wissen, die ihm moralische Verbissenheit und musikalischen Purismus vorwarfen. «Es gibt so viele Genres auf der Welt. Was spricht dagegen, sie alle auszuprobieren?», resümiert der kleine kahlköpfige Mann. «Eine gute Nacht dauert ja auch nur ein paar Stunden, obwohl sie sich wie ein ganzes Leben anfühlt.»

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