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"Menschen bei Maischberger" "Menschen bei Maischberger": "Wenn die Eltern sich wehrten wären sie erschossen worden"

Von Ronny Banas 01.04.2015, 06:55
Sandra Maischberger
Sandra Maischberger WDR/Peter Rigaud Lizenz

Halle/Saale - Es sind bewegende Worte, die Elfriede Seltenheim am Dienstagabend bei Sandra Maischberger spricht. Die Rentnerin war im Jahr 1945 erst 14 Jahre alt und wurde von sowjetischen Soldaten zum Ende  des Zweiten Weltkrieges in ihrem Dorf in Brandenburg vergewaltigt. Lange habe sie nicht darüber reden können, es totgeschwiegen. Erst, als ihr Mann vor 14 Jahren starb, konnte sie sich öffnen. „Ich hab mich geschämt“, sagt sie heute. „Am ersten Abend, als die Russen kamen, gab es die ersten Vergewaltigungen. Das ging dann jeden Abend so. Wenn die Eltern sich wehrten, wären sie erschossen worden. Ich habe nur mit Verdrängung gearbeitet. Ich habe da noch nicht einmal mit meiner Schwester darüber gesprochen.“ Seltenheim ist eines der unzähligen Schicksale, um die es in der Sendung „Das Erbe von 1945: Deutsche Schuld, deutsche Opfer“ ging. Dürfen wir um die deutschen Opfer während des Zweiten Weltkriegs trauern, fragte Maischberger zu Beginn.

„Du hast es so gewollt“

Ja, sagt Miriam Gebhardt. Die Historikerin erinnerte daran, dass es lange  keine Selbstverständlichkeit gewesen sei, deutsche Opfer zu benennen. Gebhardt erregte Aufsehen mit ihrer jüngsten Studie über Frauen, die nach Kriegsende von Soldaten vergewaltigt wurden. „Diese Frauen gehören einer Generation an, die lange nicht so selbstverständlich über Sexualität gesprochen hat, wie wir es heute tun“, sage sie bei Maischberger. Elfriede Seltenheims Scham habe auch sehr viel damit zu tun, dass den Frauen selbst oft die Schuld gegeben wurde. „Du hast es so gewollt“, habe es in den Nachkriegsjahren geheißen. Bei den Motiven für die Vergewaltigungen differenziert Gebhardt: Für russische Soldaten sei der Wunsch nach Rache für die erlebten Kriegsverbrechen der Nazis der zentrale Beweggrund. US-Truppen haben Gräueltaten durch deutsche Soldaten hingegen viel seltener erlebt.

Allein das, was beide Frauen erzählten, hätte die Sendung füllen können. Am Ende ist es sogar etwas schade, dass Maischberger sich nicht länger mit Elfriede Seltenheim und Miriam Gebhardt beschäftigte. Denn die Sendung springt zwischen mehreren Aspekten und Gästen – das Thema bietet Stoff für mehrere Abende. Erhard Eppler kommt zu Wort, der SPD-Politiker, der zum Kriegsende als Flak-Helfer arbeitete. Er mahnt: „Das Aufrechnen von Schuld ist das Dümmste, was wir Deutsche machen können. Dabei verlieren wir immer.“

Frank bringt Schärfe in die Diskussion

Außerdem sitzen in Maischbergers Runde noch der Filmproduzent Nico Hoffmann, der mit seinem Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ für Aufregung sorgte, der Historiker Guido Knopp, der Journalist sowie der Autor Niklas Frank. Frank, dessen Vater Hans als Hitlers Generalgouverneur des besetzten Polens eingesetzt wurde und mitverantwortlich für die Ermordung von Millionen Juden war, bringt Schärfe in die Diskussion, als er mit provokanten Thesen um sich wirft. „Wir sind eine Schönwetterdemokratie, denn wir haben nichts gelernt. Wenn es uns wirtschaftlicher mal wieder schlechter geht, dann werden die alten Ressentiments wieder hochkommen“, sagt er. Frank ist durch solche scharfen Sätze schon bekannt geworden war, als er mit seinem Vater in seinem Buch abrechnete und setzt genau da an. Auch, als er Hoffmanns Film als „Schmachtfetzen, das ist zum Kotzen", bezeichnet. „Unsere Mütter, unsere Väter“ sei nichts weiter als eine Aneinanderreihung von Szenen, die nur ein Ziel verfolgten: die Deutschen zu entschuldigen.

Es sind emotionale Debatten, die sich Hofmann und Frank liefern, auch weil sich Hofmann vehement gegen Frank wehrt. Sein eigener Vater habe ihn zu der Geschichte inspiriert. „Er fühlt sich heute, im Angesicht seines Todes, schuldiger denn je. Ich bin froh, dass er die letzte Möglichkeit nutzt, mit unserer Generation zu sprechen.“. Auch Epplers Erinnerungen sind interessant und hätten noch Stunden gefüllt.  Doch eigentlich möchte man vor allem mehr  erfahren über Elfriede Seltenheim und die Studien von Miriam Gebhardt. Dafür allerdings bleibt keine Zeit. Das Ende gehörte noch einmal Nico Hoffmann, als er über seine Neuverfilmung des Buchenwald-Romans „Nackt unter Wölfen“ sprechen durfte. Dieser läuft am Mittwochabend in der ARD.