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Melanchthon Melanchthon: Das kleine Griechlein an Luthers Seite

Von CORINNA NITZ 02.12.2009, 17:55

WITTENBERG/MZ. - Doch wenn dieser Mann, der als Philipp Schwartzerdt am 16. Februar 1497 in Bretten geboren wurde und bereits mit 21 Jahren Professor für Griechisch war, den Mund auftat oder die Feder spitzte, gab es selten etwas anderes als Bewunderung. Auch Martin Luther hat ihn verehrt, zumindest wusste er, was er an seinem Weggefährten hatte, den er "mein kleines Griechlein" nannte.

Die Tragik ist, dass Melanchthon später fast stets in Luthers Schatten stand. Im Jahr 1860 etwa, als ihm zum 300. Todestag ein Denkmal auf Wittenbergs Marktplatz gesetzt werden sollte, gab es heftige Diskussionen. Kritiker sprachen von einer "Versündigung an Luthers Größe", weiß der Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten Stefan Rhein: "Beide Reformatoren Seit' an Seit', das war die Wirklichkeit des 16. Jahrhunderts und ist heute nur noch weit entfernte, ungewusste Vergangenheit."

2010 soll sich das ändern. Dann jährt sich Melanchthons Todestag zum 450. Mal, und im Rahmen der Lutherdekade zum Reformationsjubiläum 2017 soll zur Auseinandersetzung mit jenen Bildungsimpulsen eingeladen werden, die ohne Melanchthon nicht zu denken wären. Er gründete in Nürnberg das erste humanistische Gymnasium auf deutschem Boden, unzählige Lehrbücher hat er verfasst und Lehrpläne erstellt. Schüler- und Studententheater gingen auf seine Initiative zurück, stets überfüllt waren seine Vorlesungen an der Wittenberger Universität. Seine Lebensleistung sollte ihm schließlich den Beinamen "Praeceptor Germaniae" eintragen.

Über die heute mitunter inflationäre Rede vom "Lehrer Deutschlands" sagt Rhein: "Das kann man schon nicht mehr hören." Der promovierte Altphilologe meint das nicht despektierlich. Er mag es nur gern konkreter. "Die Bildungsimpulse müssen heruntergebrochen werden auf den kulturell-pädagogischen Alltag", erklärt er und präsentiert ein Programm zum Jubiläumsjahr, das akademische Angebote ebenso beinhaltet wie unterhaltsame Offerten. Tagungen und Vorträge wechseln sich ab mit Schreibwerkstätten für Schüler; Christian Lehnert von der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg wird seine Melanchthon-Tage der Gegenwartsliteratur starten, zu denen namhafte Autoren erwartet werden. Die Cranach-Stiftung diskutiert über kulturelle Bildung als "Humus" für die Entwicklung von Kindern.

Ein besonderer Höhepunkt im Terminkalender dürfte die Öffnung des Melanchthonhauses am 16. April werden. Das Museum, welches umfassend umgebaut werden soll, wird unter dem Titel "Auf dem Weg. zum neuen Melanchthonhaus" eine Interimsausstellung mit ausgewählten Themen und Exponaten präsentieren. Zu letzteren gehören wertvolle Objekte aus dem Bestand der Stiftung ebenso wie Neuankäufe. Von dem zeitgenössischen Künstler Wolf Spitzer aus Speyer dürfte dabei das auffälligste Werk stammen: Er hat eine Büste Melanchthons geschaffen und den Intellektuellen dabei auf ein Gehirn reduziert. Radikaler geht Abstraktion kaum noch.

Außerdem hoffen sie bei der Stiftung, ein lebensgroßes Melanchthon-Gemälde, das Lucas Cranach dem Jüngeren zugeschrieben wird und derzeit an der Hochschule der Künste Dresden restauriert wird, zeigen zu können. Im Übrigen soll das ansonsten leere Gebäude auch als Raum erfahrbar gemacht werden. Dazu wird den Besuchern am 17. April eine theatralische Lektion erteilt, die unter dem Titel "Herzkammer und Hirnkasten" in die Anatomie des Hauses einführt. Eingebettet ist diese Veranstaltung in die lange Melanchthon-Nacht, bei der es Theater, Musik und Literatur geben wird. Rhein nennt diesen Teil der Feierlichkeiten, dessen Motto übrigens "Kleiner Mann ganz groß" lautet, lachend einen "Kessel Buntes für Melanchthon". Es sei ein offenes Fest, "danach wird es eh geschlossen genug".

Danach - das ist der offizielle Festakt der Evangelischen Kirche in Deutschland. Am 19. April, Melanchthons Todestag, werden sich Persönlichkeiten aus Kirche, Staat und internationaler Ökumene in Wittenberg über dem Grab von Luthers Griechlein die Hände reichen. Es heißt, dass auch bei Angela Merkel angefragt wurde.