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Medien Medien: Eberhard Itzenplitz brachte Gesellschaftskritik ins Fernsehen

Von Hilmar Bahr 07.11.2006, 09:49
Eberhard Itzenplitz, in Holzminden geborener Regisseur von mehr als 80 Fernsehfilmen, feiert am Mittwoch (08.11.2006) in München seinen 80. Geburtstag. (Foto: dpa)
Eberhard Itzenplitz, in Holzminden geborener Regisseur von mehr als 80 Fernsehfilmen, feiert am Mittwoch (08.11.2006) in München seinen 80. Geburtstag. (Foto: dpa) dpa

München/dpa. - Die gesellschaftskritischen Filme des deutschenFernsehens sind ohne den Namen Eberhard Itzenplitz nicht denkbar.Unermüdlich hat der in Holzminden geborene und in Sachsenaufgewachsene Regisseur gemeinsam mit namhaften DrehbuchautorenVergangenheit aufgearbeitet und Gegenwartsprobleme aufgerollt. Dabeiwar das Fernsehen für ihn immer eine Art «Riesenspielzeug», mit demsich der «Ernstfall simulieren» lasse. «Wir haben gesellschaftlichePlanspiele betrieben», sagt Itzenplitz, der an diesem Mittwoch inMünchen seinen 80. Geburtstag feiert und auf mehr als 80 Fernsehfilmezurückblicken kann.

Immer wieder griff Itzenplitz zeitgeschichtliche Themen auf wie inden Filmen «Die Mitläufer» über den Alltag des «kleinen Mannes» imDritten Reich oder «Für'n Groschen Brause» und «Schwarzenberg» nachStefan Heym über die Nachkriegsjahre in der damaligen Ostzone. DieBerlin-Blockade fand ihren Niederschlag in dem Film «Rosinenbomber».Bei mehreren TV-Projekten arbeitete er mit dem schwäbischen AutorOliver Storz («Schwäbische Trilogie») zusammen. Den Einfluss derPolitik auf die Rechtsprechung zeigte er in dem Film «Gerichtstag»auf, der die Hausbesetzerszene der Hamburger Hafenstraße zumHintergrund hat.

Vielbeachtete Fernsehfilme waren unter anderem «Die Dubrow-Krise»nach Wolfgang Menge, eine fiktive Vorwegnahme der Wiedervereinigung,oder die temperamentvolle DDR-Aussteigergeschichte «Die neuen Leidendes jungen W.» nach Ulrich Plenzdorf. «Ich hatte immer eine großeLeidenschaft für Ost und West», sagt Itzenplitz. Der von dem SPD-Politiker Egon Bahr geprägte Begriff «Wandel durch Annäherung» seiauch für ihn bestimmend gewesen. Positive Beachtung bei der Kritikfanden auch seine Literaturverfilmungen wie die stimmigen Werfel-Adaptionen «Der Abituriententag» und «Cella oder die Überwinder».

Dabei hat Itzenplitz, dessen Filme mit vielen Preisen bedachtwurden, so manches Stück Zeitgeschichte bewegt wie in demEmigrantenschicksal «Einer von uns» oder in «Bambule». Derumstrittene Film über die Situation Berliner Fürsorgezöglinge wurdewegen der terroristischen Verstrickung der Drehbuchautorin UlrikeMeinhof zurückgezogen und erst 1994 ausgestrahlt. «Brisante Themenwaren ihm allemal wichtiger als visuelle Dramaturgie», formulierteeinmal ein Kritiker. Mit seinen sensibel ausgeloteten kultur- undsozialgeschichtlichen Themen wollte Itzenplitz beim Zuschauer auchimmer «Lernprozesse» anstoßen. Derzeit sichtet der Regisseur seinenNachlass für die Akademie der Künste in Berlin.

Kritik übt Itzenplitz, der von 1966 bis 1972 Geschäftsführer undMitinhaber der München-Film GmbH war, vor allem an der Arbeit der TV-Chefs, die kaum noch zeitkritische Stoffe zuließen. Gefragt seien vorallem Quote und Spaß. «Die Fernsehfilme müssten realistischer undkritischer sein, sie sind zu süßlich.» Der Zuschauer könne durchausHärte vertragen, «da verliert man kein Publikum». Seinen rundenGeburtstag will der Jubilar, der als Assistent bei Heinz Hilpert amDeutschen Theater in Göttingen seine künstlerische Laufbahn begann,einen Tag später im Kreis von Freunden und Wegbegleitern in derSchwabinger Seidlvilla feiern. «Vom Theater habe ich viel gelernt»,sagt der passionierte Sammler moderner Kunst rückblickend.