Medien Medien: Börne-Preis für Rudolf Augstein
Frankfurt/Main/dpa. - Die mit 40 000 Mark dotierte Auszeichnung der Frankfurter Börne-Stiftung erinnert an den jüdischen Schriftsteller und EssayistenLudwig Börne (1786-1837). Augstein stehe wie kaum ein andererPublizist in der aufklärerischen und freiheitlichen TraditionBörnes, hatte Juror Schirrmacher seine Entscheidung begründet.
Augsteins publizistisches Credo sei die «Aushöhlung von Größe,ehe sie entsteht», sagte Schirrmacher. Der «Spiegel» sei nach demZweiten Weltkrieg mit seiner «Verehrungs-Verweigerungshaltung» einGarant von Wachsamkeit gewesen und habe nachfolgende Generationenpolitisiert. Augstein habe damit eine zweite Öffentlichkeitgeschaffen, «die seismographisch genau (...) alle Ausschlägeregistrierte».
Zu der Preisverleihung waren neben «Spiegel»-Chefredakteur StefanAust und «Focus»-Chef Helmut Markwort auch Bundesinnenminister OttoSchily (SPD) und der Präsident des Zentralrats der Juden, PaulSpiegel, gekommen. Vor der Paulskirche demonstrierte etwa einDutzend Antifa-Anhänger mit Transparenten und Flugblättern gegen den«Salon-Antisemiten» Augstein. Publizisten hatten Augsteinvorgeworfen, der «Spiegel» habe früher ehemalige Nazis beschäftigt.Außerdem habe das Blatt mit seiner Darstellung des ReichstagsbrandsGeschichtsfälschung betrieben. Deshalb sei Augstein kein würdigerPreisträger.
Schirrmacher sagte dazu in seiner Rede, dass nun die Anfänge derZeitschrift selber öffentlich hinterfragt würden, sei «gut undrichtig. Der 'Spiegel' wird gar nicht anders können und wollen, alsdarüber Auskunft zu geben. Doch jene, die hier von Antisemitismusreden, sollten sich überlegen, in welchen trüben Gewässern siefischen.»
Augstein, der beim Gehen gestützt werden musste und unternachlassender Sehkraft leidet, konnte seine Dankesrede nicht vomManuskript ablesen. Zudem war er so heiser, dass seine Stimme immerwieder versagte und «Spiegel»-Verlagsleiter Fried von Bismarck Teileder Rede vortragen musste. Mitunter musste Bismarck Augstein auchbei allzu weitschweifenden Ausführungen zum roten Faden seiner Redezurückholen.
Er empfinde es als «große Ehre», in einer Reihe mit demscharfzüngigen Feuilletonisten Börne genannt zu werden, sagteAugstein. Auf den Vorwurf, er sei ein «geistiger Brandstifter» und«Salon-Antisemit», scheue er sich einzugehen. In einem Interview der«Welt am Sonntag» vom selben Tag hatte Augstein hingegen dieVorwürfe zum Teil eingeräumt. Beim «Spiegel» habe es in der Tat«auch einige ehemalige Nazis gegeben». Daraus könne aber nicht derSchluss gezogen werden, dass das Magazin den Nationalsozialismusgerechtfertigt habe oder gar antisemitisch sei.
Zum Schluss von Augsteins Rede applaudierte das Publikum stehend.Selbst «Spiegel»-Widersacher Helmut Markwort zollte AugsteinRespekt. «Ich bin beeindruckt von Augsteins Lebenswerk», sagte der«Focus»-Chef nach der Preisverleihung. Der «Spiegel» habe jedoch denFehler gemacht, sich lange nicht zu den erhobenen Vorwürfen zuäußern. Was die umstrittene Darstellung des Reichstagsbrandesangehe, «hat er die Gegenseite nicht genügend gehört.»
Die Verleihung war ursprünglich schon am 5. November 2000,Augsteins 77. Geburtstag, geplant gewesen. Damals hatte Augsteinwegen Krankheit abgesagt.